Entwurf einer Kurzgeschichte (5)
German

Entwurf einer Kurzgeschichte (5)

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fiction

Luca und Lena schieben ihr Velo und diskutieren. Sie spazieren zum Allmend-Hügel, von wo aus sie sich eine gute Sicht aufs Lager versprechen.

“Was hast du denn mit dem Kissen vor?”, fragt Lena.

Luca erzählt ihr, wie er auf die Idee gekommen ist, einem Kind hier ein Geschenk zu machen. Die Schwierigkeit werde wohl sein, eine gute Wahl zu treffen.

Beim Hügel angekommen stellen sie fest, dass die Presse ihn bereits in Beschlag genommen hat. So gehen sie noch ein Stückchen weiter, bis sich die Masse an Medienschaffenden lichtet. Grosse Zelte, weisse vom Zivilschutz, olivfarbene vom Militär, stehen in Reih und Glied auf dem Rasen. Vereinzelte Farbtupfer, wohl von den Flüchtenden selbst mitgebrachte Iglu-Zelte, frischen den schmucklosen Anblick auf. Die meisten Flüchtenden haben sich offenbar in die Zelte zurückgezogen, denn dazwischen laufen nur vereinzelt Leute kreuz und quer umher. Auf der anderen Seite des Lagers erblickt Luca ein Zelt, mit einem roten Kreuz auf den Wänden.

“Dort müssen wir hin”, sagt er mit dem ausgestreckten Arm zeigend, “ich finde dort bestimmt ein Kind für mein Kissen”.

Sie steigen aufs Velo und fahren dorthin. Ein bisschen abseits vom Spitalzelt legen sie ihr Gefährt ins Gras und nähern sich dem Eingang. Hinter ihnen hören sie plötzlich eine weibliche Stimme mit französischem Akzent.

“Was macht ihr zwei denn hier?”, fragt sie.

Es ist Lucas Partnerin Nour, die in einer Gemeinschaftspraxis im Breitenrain als Kinderärztin arbeitet.

“Ja, was machst du denn hier?”, entgegnet Luca. “Hast du deine Praxis hierhin verlegt?”, fragt er scherzhaft.

“Bingo! Ich habe mich spontan als Freiwillige beim Roten Kreuz gemeldet”, antwortet sie.

“Dann kannst du bestimmt Luca helfen”, interveniert Lena, “er möchte einem Kind ein Geschenk machen.”

Nour führt die Geschwister zu einem kleinen, halb offenen Nebenzelt, wo sich zwei Knaben im Alter von wohl sechs und acht Jahren aufhalten. Sie hätten im Chaos der Flucht ihre Eltern aus den Augen verloren, man suche aktuell nach ihnen, erklärt sie. Der ältere spielt im Schneidersitz mit einem Zauberwürfel und der jüngere im Stehen mit einem Jo-Jo. Beide scheinen ziemlich begabt zu sein, aber man sieht es ihnen an, dass sie sich langweilen und so lediglich die Zeit vertreiben.

Als die Erwachsenen vor dem Zelt stehen bleiben, erstarren die Kinder. Enttäuscht, dass es nicht die eigenen Eltern sind, lassen sie den Kopf hängen. Der Kleine lässt sich auf die Knie fallen und fängt an zu weinen. Der Grosse versucht ihn mit einer Umarmung zu trösten. Luca ist es nicht recht, dass er solche Hoffnungen geschürt hat.

Er kniet sich zu ihnen nieder und berührt sachte mit beiden Händen ihre Schulter. Sie schauen auf. Luca nimmt das Kissen aus der Tasche und flüstert ihnen zu: “In bocca al lupo!” Er hätte beinahe Buona fortuna, viel Glück, wünschen wollen, aber in letzter Sekunde hat er wieder an Paravicini, seinen Italienischlehrer gedacht, der seiner Klasse eingetrichtert hat, nie sowas zu sagen. Stattdessen sage man Im Maul des Wolfes und antworte Sterbe der Wolf.

Crepi!” schreien die Knaben mit einer Stimme. Die drei stecken die Köpfe zusammen und umarmen sich, wie es die Fussballer tun nach dem verschossenen entscheidenden Elfmeter. Zu Tränen gerührt machen es Nour und Lena ihnen gleich, und so bleiben sie, still, zu fünft, auf dem Rasen der Allmend kniend.

Nach einer Weile lösen sie sich voneinander. Luca schaut den Kindern in die Augen und sieht keine Langeweile mehr, sondern eine neu entfachte Hoffnung.

Beim Verlassen des Zeltes entschuldigt sich Nour: “Ich werde gebraucht. Wir sprechen dann zu Hause, Schatz.”

“Ja, bis heute Abend, Nour mon amour”, kommt von Luca.

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