Die Bewegungsgesetze 🐌 (🎧)
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Die Bewegungsgesetze 🐌 (🎧)

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Die Bewegungsgesetze 🐌 (vorgelesen 🎧)

ᐊ UrsprĂŒnglicher Text

In der newtonschen Physik gibt es eine Vierzahl von EntitĂ€ten von grundlegender Bedeutung: der Raum, die Zeit, die Masse und die Kraft. Physikalische Begriffe sind nicht nur mathematische Zahlen, sondern werden auch von einer physikalischen Dimension bzw. Einheit begleitet. Die ersten drei benannten Begriffe (Raum, Zeit und Masse) haben im Internationalen Einheitensystem (SI) die Einheiten Meter, Sekunde und Kilogramm. Die Kraft ist – begrifflich gesehen – auch eine grundsĂ€tzliche GrĂ¶ĂŸe, dennoch wird ihre Einheit (das „Newton“) aufgrund des (weiter unten nĂ€her erlĂ€uterten) 2. Bewegungsgesetzes (Kraft = Masse mal Beschleunigung) als abgeleitete GrĂ¶ĂŸe aufgefasst.

Die newtonsche Physik, also der von Isaac Newton ausformulierte Zugang zur klassischen Mechanik, wird mit den sogenannten Bewegungsgesetzen begrĂŒndet. Dabei handelt es sich um drei Gesetze und ein Zusatzpostulat (das vierte Gesetz). Vor allem in deutscher Sprache wird immer noch von den „newtonschen Axiomen“ gesprochen (in Anlehnung an Euklid), dennoch sind sie kein logisches Gebilde im mathematischen Sinne von Axiomen, welche einen mathematischen Ausgangszustand herstellen, aus dem weitere streng beweisbare Tatsachen und ZusammenhĂ€nge hergeleitet werden können. Die newtonschen Gesetze sind eine Mischung aus Definitionen, Interpretationen und experimentell nachweisbaren Erfahrungstatsachen. DarĂŒber hinaus ist Mathematik – im Gegenteil zur Physik – eine abstrakte (formelle) Wissenschaft, ohne prinzipiellen Bezug zur RealitĂ€t.

Das erste newtonsche Gesetz ist das sogenannte TrĂ€gheitsgesetz, das schon von Galileo Galilei und spĂ€ter auch von RenĂ© Descartes beschrieben wurde. Es besagt, dass sich ein Körper in Abwesenheit von KrĂ€ften mit konstanter Geschwindigkeit (als vektorielle GrĂ¶ĂŸe) bewegt. Diese Aussage mag an erster Stelle vielleicht recht eindeutig aussehen, sie enthĂ€lt jedoch mindestens ein logisches Problem: Es ist nicht nur nicht sofort ersichtlich, was eine Kraft sein soll, sondern das (so formulierte) Gesetz macht auch keine Aussagen darĂŒber, in welchen Bezugssystemen die Aussage gelten soll. Etwas weniger abstrakt: In einem einzigen Gesetz werden die Begriffe „Kraft“ und „Bezugssystem“ eingefĂŒhrt, welche zyklisch miteinander verbunden sind. Eine modernere Interpretation des ersten newtonschen Gesetzes besteht lediglich darin, zu sagen, dass es die physikalische Existenz von sogenannten Inertialsystemen gibt. Ein Intertialsystem ist eben ein Bezugssystem, in dem das TrĂ€gheitsgesetz gilt. Dabei besteht jedoch noch stets die Frage nach dem Wesen einer Kraft.

Das zweite newtonsche Gesetz besagt, wie schon erwĂ€hnt, dass Kraft gleich Masse mal Beschleunigung ist (F = m * a). Hierbei gibt es ein zweites logisches Problem: In diesem Gesetz werden gleichzeitig die Begriffe von „Kraft“ und „Masse“ eingefĂŒhrt und quantitativ miteinander verbunden. Die begriffliche EinfĂŒhrung dieser Begriffe ist reine Interpretation der Natur, die quantitative Beziehung jedoch ist eine experimentell nachweisbare Tatsache und entsprang (geschichtlich gesehen) aus einem Gedankenexperiment Isaac Newtons auf Grundlage eines konkreten physikalischen PhĂ€nomens (die Kreisbewegung einer kleinen Kugel innerhalb eines Zylinders). Die Änderung des Bewegungszustands eines Körpers (aus dem Sichtpunkt eines Inertialsystems) ist der Ausdruck einer Krafteinwirkung.

Das dritte newtonsche Gesetz ist aus logischer Sicht wesentlich zufriedenstellender, denn es ist eine experimentell nachweisbare Tatsache (und eigentlich falsch bzw. nicht so allgemeingĂŒltig wie zuerst von Newton gedacht). Dieses Gesetz wird normalerweise als „Actio = Reactio“ formuliert (eine blöde VerkĂŒrzung) und besagt, dass KrĂ€fte immer paarweise auftreten und sich gegenseitig vektoriell aufheben. Dabei handelt es sich um zwei KrĂ€fte, die jeweils auf einen Körper wirken. Eine Aussage aus diesem Gesetz ist also, dass es in der Natur niemals einzelne KrĂ€fte gibt, sondern, dass zwei Körper sich gegenseitig beeinflussen. Dabei ist das Wort „Wechselwirkung“ als Synonym von „Kraft“ sehr passend. DarĂŒber hinaus macht Newton fĂŒr das dritte Gesetz noch eine zusĂ€tzliche Aussage (in der sogenannten „scharfen“ Form dieses Gesetzes): Die zwei KrĂ€fte sind nicht nur entgegengerichtete Vektoren, sondern sie zeigen auch entlang der geraden Linie, welche die zwei (punktförmigen) Körper verbindet. Das dritte Gesetz ohne diese Zusatzanforderung ist die „schwache Form“ des Gesetzes und von allgemeiner GĂŒltigkeit. DarĂŒber hinaus gibt es die Annahme, dass KrĂ€fte immer instantan wirken. Diese letzte Annahme ist ebenfalls falsch, denn die Auswirkung einer Kraft breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit aus.

Es gibt noch zwei Schwachstellen in den newtonschen Grundannahmen: Er hat angenommen, der Raum und die Zeit seien absolute Begriffe. Dies ist ebenfalls falsch, wie erst drei Jahrhunderte spĂ€ter von Albert Einstein herausgefunden wurde. AbstĂ€nde und Zeitspannen sind relative Begriffe, welche von der relativen Bewegung abhĂ€ngen. Dennoch sind diese relativistischen Effekte erst bei sehr hohen Geschwindigkeiten ĂŒberhaupt experimentell messbar. Die klassische Mechanik im Sinne Isaac Newtons ist also eine sehr gute AnnĂ€herung und Beschreibung der NaturphĂ€nomene innerhalb eines bestimmten GĂŒltigkeitsbereiches. Letztlich ist jede physikalische Theorie keine unbestreitbare Wahrheit, sondern lediglich ein prinzipiell widerlegbares Modell des menschlichen VerstĂ€ndnisses ĂŒber die Natur.

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