In der newtonschen Physik gibt es eine Vierzahl von EntitĂ€ten von grundlegender Bedeutung: der Raum, die Zeit, die Masse und die Kraft. Physikalische Begriffe sind nicht nur mathematische Zahlen, sondern werden auch von einer physikalischen Dimension bzw. Einheit begleitet. Die ersten drei benannten Begriffe (Raum, Zeit und Masse) haben im Internationalen Einheitensystem (SI) die Einheiten Meter, Sekunde und Kilogramm. Die Kraft ist â begrifflich gesehen â auch eine grundsĂ€tzliche GröĂe, dennoch wird ihre Einheit (das âNewtonâ) aufgrund des (weiter unten nĂ€her erlĂ€uterten) 2. Bewegungsgesetzes (Kraft = Masse mal Beschleunigung) als abgeleitete GröĂe aufgefasst.
Die newtonsche Physik, also der von Isaac Newton ausformulierte Zugang zur klassischen Mechanik, wird mit den sogenannten Bewegungsgesetzen begrĂŒndet. Dabei handelt es sich um drei Gesetze und ein Zusatzpostulat (das vierte Gesetz). Vor allem in deutscher Sprache wird immer noch von den ânewtonschen Axiomenâ gesprochen (in Anlehnung an Euklid), dennoch sind sie kein logisches Gebilde im mathematischen Sinne von Axiomen, welche einen mathematischen Ausgangszustand herstellen, aus dem weitere streng beweisbare Tatsachen und ZusammenhĂ€nge hergeleitet werden können. Die newtonschen Gesetze sind eine Mischung aus Definitionen, Interpretationen und experimentell nachweisbaren Erfahrungstatsachen. DarĂŒber hinaus ist Mathematik â im Gegenteil zur Physik â eine abstrakte (formelle) Wissenschaft, ohne prinzipiellen Bezug zur RealitĂ€t.
Das erste newtonsche Gesetz ist das sogenannte TrĂ€gheitsgesetz, das schon von Galileo Galilei und spĂ€ter auch von RenĂ© Descartes beschrieben wurde. Es besagt, dass sich ein Körper in Abwesenheit von KrĂ€ften mit konstanter Geschwindigkeit (als vektorielle GröĂe) bewegt. Diese Aussage mag an erster Stelle vielleicht recht eindeutig aussehen, sie enthĂ€lt jedoch mindestens ein logisches Problem: Es ist nicht nur nicht sofort ersichtlich, was eine Kraft sein soll, sondern das (so formulierte) Gesetz macht auch keine Aussagen darĂŒber, in welchen Bezugssystemen die Aussage gelten soll. Etwas weniger abstrakt: In einem einzigen Gesetz werden die Begriffe âKraftâ und âBezugssystemâ eingefĂŒhrt, welche zyklisch miteinander verbunden sind. Eine modernere Interpretation des ersten newtonschen Gesetzes besteht lediglich darin, zu sagen, dass es die physikalische Existenz von sogenannten Inertialsystemen gibt. Ein Intertialsystem ist eben ein Bezugssystem, in dem das TrĂ€gheitsgesetz gilt. Dabei besteht jedoch noch stets die Frage nach dem Wesen einer Kraft.
Das zweite newtonsche Gesetz besagt, wie schon erwĂ€hnt, dass Kraft gleich Masse mal Beschleunigung ist (F = m * a). Hierbei gibt es ein zweites logisches Problem: In diesem Gesetz werden gleichzeitig die Begriffe von âKraftâ und âMasseâ eingefĂŒhrt und quantitativ miteinander verbunden. Die begriffliche EinfĂŒhrung dieser Begriffe ist reine Interpretation der Natur, die quantitative Beziehung jedoch ist eine experimentell nachweisbare Tatsache und entsprang (geschichtlich gesehen) aus einem Gedankenexperiment Isaac Newtons auf Grundlage eines konkreten physikalischen PhĂ€nomens (die Kreisbewegung einer kleinen Kugel innerhalb eines Zylinders). Die Ănderung des Bewegungszustands eines Körpers (aus dem Sichtpunkt eines Inertialsystems) ist der Ausdruck einer Krafteinwirkung.
Das dritte newtonsche Gesetz ist aus logischer Sicht wesentlich zufriedenstellender, denn es ist eine experimentell nachweisbare Tatsache (und eigentlich falsch bzw. nicht so allgemeingĂŒltig wie zuerst von Newton gedacht). Dieses Gesetz wird normalerweise als âActio = Reactioâ formuliert (eine blöde VerkĂŒrzung) und besagt, dass KrĂ€fte immer paarweise auftreten und sich gegenseitig vektoriell aufheben. Dabei handelt es sich um zwei KrĂ€fte, die jeweils auf einen Körper wirken. Eine Aussage aus diesem Gesetz ist also, dass es in der Natur niemals einzelne KrĂ€fte gibt, sondern, dass zwei Körper sich gegenseitig beeinflussen. Dabei ist das Wort âWechselwirkungâ als Synonym von âKraftâ sehr passend. DarĂŒber hinaus macht Newton fĂŒr das dritte Gesetz noch eine zusĂ€tzliche Aussage (in der sogenannten âscharfenâ Form dieses Gesetzes): Die zwei KrĂ€fte sind nicht nur entgegengerichtete Vektoren, sondern sie zeigen auch entlang der geraden Linie, welche die zwei (punktförmigen) Körper verbindet. Das dritte Gesetz ohne diese Zusatzanforderung ist die âschwache Formâ des Gesetzes und von allgemeiner GĂŒltigkeit. DarĂŒber hinaus gibt es die Annahme, dass KrĂ€fte immer instantan wirken. Diese letzte Annahme ist ebenfalls falsch, denn die Auswirkung einer Kraft breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit aus.
Es gibt noch zwei Schwachstellen in den newtonschen Grundannahmen: Er hat angenommen, der Raum und die Zeit seien absolute Begriffe. Dies ist ebenfalls falsch, wie erst drei Jahrhunderte spĂ€ter von Albert Einstein herausgefunden wurde. AbstĂ€nde und Zeitspannen sind relative Begriffe, welche von der relativen Bewegung abhĂ€ngen. Dennoch sind diese relativistischen Effekte erst bei sehr hohen Geschwindigkeiten ĂŒberhaupt experimentell messbar. Die klassiche Mechanik im Sinne Isaac Newtons ist also eine sehr gute AnnĂ€herung und Beschreibung der NaturphĂ€nomene innerhalb eines bestimmten GĂŒltigkeitsbereiches. Letztlich ist jede physikalische Theorie keine unbestreitbare Wahrheit, sondern lediglich ein prinzipiell widerlegbares Modell des menschlichen VerstĂ€ndnisses ĂŒber die Natur.
Wieder sehr informativ und lehrreich. Darf man Fragen stellen? :D
Danke schön, Lynn. Nur zu!
Super! Danke :D Ich hab mich jetzt gefragt, ob und wie die Schwerkraft in diesen Formeln eine Rolle spielt? Also wo genau sie die Berechnungen beeinflusst. Ist sie (wie ihr Name vermuten lassen wĂŒrde) unter Kraft mit einbezogen? Das wĂŒrde fĂŒr mich aber ĂŒberhaupt keinen Sinn machen. Wahrscheinlich eher in Raum oder? Ich lese es jetzt einfach nochmal! :D
:O Kannst du in die Zukunft schauen? Das ist wahrscheinlich das Thema vom nĂ€chsten Beitrag (habe mir noch keine Gedanken darĂŒber gemacht, ist aber logisch gesehen genau das Richtige). Bevor ich die Frage beantworte: Was wĂŒrdest du denn spontan vermuten? Und warum wĂŒrde es fĂŒr dich keinen Sinn machen?
Na dann bin ich auf den nĂ€chsten Beitrag besonders gespannt. Ich bin jetzt nach dem zweiten Mal lesen auf jeden Fall noch ein bisschen verwirrter... Spontan, rein aus dem SprachgefĂŒhl her, hĂ€tte ich sie einfach zu Raum gezĂ€hlt. (Schwerkraft ist in meinem Kopf anscheinend mit Weltall verknĂŒpft xD) Die Schwerkraft bei Kraft einzuordnen, kam mir unlogisch vor, da sich die Masse des Objekts ja nicht tatsĂ€chlich Ă€ndert. Oder? Obwohl... jetzt wo ich es schreibe, klingt es komplett anders richtig. Die Masse wird wahrscheinlich gerade durch die Schwerkraft bestimmt und Ă€ndert sich daher im/als? Faktor, oder? Hilfe... mein Kopf raucht schon wieder :(
Deine zwei letzten Kommentare mit deinen GrĂŒbeleien sind unglaublich schön zu lesen (und wertvoll). Ich glaube, ich werde besser deine Gedanken/Fragen/Ăberlegungen beim Schreiben des nĂ€chsten Texts berĂŒcksichtigen, als dass ich jetzt hier einen groĂen Kommentar dazu schreibe. Falls dir das recht ist.
Ist völlig in Ordnung! Ich bin sehr gespannt! Und es freut mich, wenn meine GrĂŒbeleien hier gern gesehen werden. Bis morgen dann :D
Okay, ich habe den Text geschrieben, aber du musst dich wohl bis morgen gedulden. Und danach brauche ich, glaube ich, eine Pause :D.
Hallo Eduard! Ich war entzĂŒckt, dass ich so viele Genitiv-Formulierungen gelesen habe! :D SpaĂ beiseite: Der Text ist wieder super geschrieben und sehr informativ!
Danke, Linda! Und natĂŒrlich hast du noch weitere Fehler gefunden :D
Das werde ich schon ĂŒberleben. Vorfreude ist ja bekanntlich eh die schönste Freude :D
Dann freu dich doch! Bis morgen.