Sie verlassen den Schermendom über den Nordausgang. Es ist jetzt Mitte Nachmittag und die Hitze der prallen Sonne erschlägt sie beinahe. Der Weg führt sie über die Bahnlinie, dann entlang einiger Industriegebäude und einer Schrebergartenanlage. In nur zwei Minuten haben sie den kühlen Wald erreicht.
Sie lehnen die Velos an einen Baum und setzen sich rittlings auf einen am Boden liegenden Stamm. Luca saugt die Waldluft tief ein. Es riecht nach Waldboden und Holunderblüten. Einfach herrlich.
Lena ergreift das Wort. “Du hast schon recht, wir hätten viel früher mit der Grossen Transformation beginnen sollen. Aber mit dieser Ansicht siehst du das halbleere Glas, statt das halbvolle zu sehen.
“Die Grosse Transformation war ein Glücksfall. Hätten die Klimaseniorinnen im zwanzig zweiundzwanzig vor dem Europäischen Gerichtshof nicht Recht bekommen, wäre die Grosse Transformation wohl gar nie beschlossen worden. So hätten wir möglicherweise die eins Komma fünf schon vor Jahren überschritten.
“Stell dir vor, der Autobahnanschluss wäre für viel Geld ausgebaut worden, was noch mehr Autoverkehr erzeugt hätte — selbstverständlich mit Verbrennermotor. Stattdessen haben wir mit dem Ostermundiger System den Velo- und Fussverkehr gefördert, mit einem neuen Arbeitszeitmodell die morgendlichen und abendlichen Verkehrsspitzen gebrochen und so den Autoverkehr massiv reduziert. So stieg auch die gesellschaftliche Akzeptanz für den Rückbau von Strassen. Du hast ja vorhin gesehen, der Schermenweg gleicht jetzt mehr einem Park als einer Betonwüste. Mehr als die Hälfte der Strassenfläche wurde entsiegelt und begrünt. Trotzdem gibt es keine Staus mehr, oder nur noch sehr selten. Dieses Projekt ist kürzlich abgeschlossen worden, unzählige andere laufen noch. Das hilft uns, die Stadt während den heissen Tagen wie heute herunterzukühlen. Je mehr grün in der Stadt, desto weniger wird es Hitzeinseln geben. Und lebenswerter wird sie auch noch obendrein.”
Während des langen Monologs seiner Schwester hat sich Luca rückwärts auf den Baumstamm gelegt und die Augen geschlossen. Mit seinen Händen fährt er den Gräben in der Rinde nach und fühlt, wie sie stellenweise abbröckelt.
“Danke, Lena. Du hast richtig erkannt, dass ich etwas zu pessimistisch die Sache angegangen bin. Der Verkehr ist ja nur ein Bereich. Das Wohnen, die Ernährung, der Konsum, alles wurde während der Grossen Transformation neu aufgegleist.”
Er sitzt auf und öffnet die Augen wieder. “Was hast du jetzt vor? Kommst du mit nach Bolligen?”, fragt er.
“Danke für die Einladung, aber ich muss nach Hause gehen und mein Velo flicken.”
“Oh, schade… Ich dachte, du würdest mir beim Abwasch helfen”, sagt er schelmisch lächelnd.
Hallo Erich,
war das jetzt der letzte Teil?
Falls ja, bin ich ein bisschen traurig, weil mir sowohl die Charaktere Luca und Lena, wie auch die Welt, die du beschrieben hast, gefallen. Also, nicht, dass das Klima so eskaliert und Leute aus Sizilien fliehen müssen, aber dass die Städte durch Grünflächen gekühlt werden und dass das Fahrradfahren so gefördert und der Verkehr aus der Stadt verbannt wird.
Hallo Linda, ja, das ist der letzte Teil. Ich bin noch daran, Details zu verfeinern, aber das ist die Geschichte, wie sie in meinem Kopf war. Ich bin so froh, dass ich sie niederschreiben konnte, und dir die Charaktere und die Welt gefallen.
Mein Ziel war es tatsächlich, eine Vision für eine neue Welt zu erarbeiten. Einige Bereiche davon können wir gestalten, andere hingegen werden einfach da sein. Das wollte ich mit den Flüchtlingen aus Sizilien darstellen (es könnte aber von irgendwoher sein, von nah oder fern). Das Einzige, was wir solchen Katastrophen entgegenhalten können, ist unsere Menschlichkeit, auch das sollte sichtbar werden.
Zögere nicht, mir auch einzelne Stellen zu markieren, die dich bewegen oder wo du Bemerkungen hast. Da dies mein erster Text ist, bin ich wirklich auf solche Rückmeldungen angewiesen. Nur so kann ich mich verbessern ;-)
Also schon mal vielen Dank für deine Zeit, und wenn andere sich auch noch melden wollen, sehr gerne, nur zu :-)