Entwurf einer Kurzgeschichte (2)
German

Entwurf einer Kurzgeschichte (2)

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fiction

Lena entspannt sich unter der Linde im schön kühlen Innenhof der Effingerstrasse 19, wo sie als Verkehrsplanerin arbeitet. Mit dem letzten Stück Brot putzt sie ihr Glasgeschirr aus, welches vor einer halben Stunde noch voll mit ihrem hausgemachten Hummus war. Ihr gegenüber sitzt ihr Kollege und Mentor Karl, ein älterer Herr dessen filigranes weisses Haar mit der dicken schwarzen Brillenfassung kontrastiert. Er hat soeben von seinen Plänen nach seiner kurz bevorstehenden Pensionierung erzählt. Am Tisch nebenan wird es etwas laut, jüngere Kolleginnen und Kollegen schauen sich was auf dem Handy an, was sie offensichtlich aufregt.

“Hey Lena und Karl, kommt mal her”, ruft Mila, die junge Praktikantin, “das müsst ihr euch ansehen!”

Sie stehen auf und gesellen sich zu ihnen. Auf einem Handy mitten auf dem Tisch läuft die Tagesschau am Mittag, wo surreale Bilder von einem Flüchtlingscamp auf der Grossen Allmend gezeigt werden.

“Wieso müssen sie draussen bleiben? In den Expo-Hallen hätte es sicher genug Platz für alle, oder?” fragt Leon.

“Mann, schalt doch dein Hirn ein!” gibt Ananthan von sich, “da läuft doch grad die Fairtrade Expo, die Aussteller können doch nicht einfach auf die Strasse geworfen werden!”

“Immer mit der Ruhe, Jungs, Streiten bringt uns nicht weiter”, versucht Karl zu schlichten. Auch nach all diesen Jahren in der Bundesstadt, hat er seinen Luzerner Dialekt nicht verloren. “Leon hat nicht ganz unrecht, die Messe belegt ja nicht alle Hallen. Die Flüchtenden haben ausserdem eine schwierige Zeit hinter und wohl auch noch vor sich, da wären geschützte Räumlichkeiten kein Luxus. Ich hoffe auch, dass rasch Lösungen für die Leute gefunden werden und das Lager kein Providurium wird.”

Langsam stehen die ersten auf und begeben sich wieder zu ihrem Arbeitsplatz.

Zurück im Büro, Lena sitzt am Computer und schaut aufs Datum: 18. Juni 2035. “Dieser Tag wird wohl in die Geschichtsbücher eingehen”, denkt sie. Sie versucht sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, als ihr Handy vibriert. Das Profilfoto ihres Bruders leuchtet auf und sie ahnt schon, dass er sich wegen den Klimaflüchtlingen meldet.

“Hoi Schwesterherz, störe ich?” fragt er, aber fährt fort ohne eine Antwort abzuwarten. “Ich bin alleine zu Hause und muss unbedingt mit jemand über die Flüchtlingsgeschichte sprechen sonst drehe ich durch.”

“Ich kann doch nicht!” schreit sie lautlos ins Telefon, “Ich bin auf der Arbeit!”

Karl, der sie etwas fragen wollte, hat die Situation beobachtet und schätzt, dass es wenig bringt, wenn Lena wegen den besonderen Umständen den ganzen Nachmittag unkonzentriert arbeitet und entscheidet, ihr für den Rest des Tages frei zu geben, was er ihr mit einer unmissverständlichen Geste signalisiert.

“Ich kann doch!” flüstert sie erleichtert ins Telefon. “Wir sehen uns gleich bei der Postfinance Arena, OK?”

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