Entwurf einer Kurzgeschichte (1)
German

Entwurf einer Kurzgeschichte (1)

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fiction

“... wurde auf der Grossen Allmend in Bern eingerichtet, wo um die tausendfünfhundert Klimaflüchtlinge aus dem hitzegeplagten Sizilien eingetroffen sind. Politik und Hilfsorganisationen sind vor Ort, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Unsere Korrespondentin aus Bern, Laura Witschi, berichtet.”

“Sie fliehen vor der Dürre, den Waldbränden und vor allem der anhaltenden Hitze, ‘Gran caldo’ wie sie genannt wird, die seit April für unwirtliche Zustände im Süden Italiens verantwortlich ist. Mit Temperaturen von über fünfzig Grad ist ein Aufenthalt im Freien kaum möglich. Die Spitäler werden überrannt und Hitzetote zählt man nicht mehr. Wer kann, packt das Wichtigste und bricht gen Norden auf. Ein Extrazug der BLS hat tausendfünfhundert Flüchtende von Brig nach Bern geholt, von wo aus die Weiterverteilung auf die Kantone organisiert wird. Dies ist der erste grosse Test nachdem Anfang Jahr die revidierte Genfer Konvention in Kraft getreten ist, wonach neu auch Klimaflüchtlingen der Flüchtlingsstatus anzuerkennen ist. Zudem wird erneut Schengen V auf die Probe gestellt, denn in der Vergangenheit sorgte der Verteilschlüssel immer wieder für rote Köpfe.”

“Vielen Dank Laura Witschi. Wir schalten nun nach New York, wo die UNO-Generalsekretärin...”

Luca Tadic, Klimafolgeforscher bei der Mobiliar, unterbricht den Nachrichtensprecher mit einem Wisch auf seinem Handy, das auf dem Küchentisch liegt. Sichtlich getroffen bleibt er stehen. Er atmet tief ein und lässt die Luft explosionsartig wieder raus. In seinem Bauch fühlt er ein Pochen, den Puls der Hauptschlagader. Er schaut nachdenklich ins Leere. Eigentlich hätte er den Abwasch erledigen wollen, aber dazu hat er im Moment keine Kraft, so sehr hat ihn die eben gehörte Nachricht erschüttert. Das Thema ist für ihn eigentlich nicht neu, befasst er sich doch beruflich tagtäglich damit: Er weiss ganz genau, dass der menschliche Körper bei zu hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit nicht mehr schwitzen, und so die Körpertemperatur nicht mehr regulieren kann, was lebensbedrohlich ist. Auch weiss er, was eine anhaltende Dürre der Landwirtschaft antut, besonders so früh in der Saison, wo die Pflanzen noch schwach sind. Alles bekannt. Aber jetzt ist diese Realität quasi vor der Haustüre angekommen. Bereits seit über zwei Monaten hadert Rom mit seinen Flüchtenden aus dem Süden, und ist jetzt offenbar so überfordert, dass sie sie hat weiter ziehen lassen.

Luca wohnt in der Berner Agglo, in Bolligen, keine Viertelstunde von der Grossen Allmend entfernt. Er überlegt, was er als nächstes tun will, um die Nachricht zu verarbeiten. Er besinnt sich zurück an die Corona-Krise, als er im Gymnasium war. Damals, als es ihm psychisch nicht so gut ging, half ihm das Kissen, welches er in der Sek eigenhändig genäht hatte. Es war etwas Besonderes, denn er hatte absichtlich die Form eines vierblättrigen Kleeblattes gewählt. Er pflegte bäuchlings auf seinem Bett zu liegen und sein Gesicht ins Kissen zu drücken. Das tat gut. Aber gegenüber seiner um ein Jahr jüngeren Schwester Lena, verheimlichte er stets diese seine Schwäche, wollte er doch der starke grosse Bruder sein. — Genau. Dieses Kissen will er einem Kind dort auf der Grossen Allmend schenken.

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