Glaubt nicht, dass die Deutschen keinen Small Talk können
Ich habe schon lange bemerkt, dass die Deutschen Small Talk lieben, obwohl sie es selbst nicht zugeben. Als ob all diese Gespräche über das Wetter ihnen zu oberflächlich wären und sie lieber direkt zur Sache kommen würden.
Anscheinend vergleichen sie sich mit Engländern und Amerikanern. Das ist jedoch sinnlos, weil Small Talk im englischsprachigen Raum ein besonderes Phänomen ist. Aber im Vergleich zu uns Russischsprachigen, deren Small-Talk-Muskulatur komplett atrophiert ist, sind die Deutschen echte Meister des "kleinen Gesprächs". Überall reden sie miteinander: in einer Bäckerei, in einem Restaurant oder in einem Fahrstuhl. Bei einer Gassirunde mit dem Hund, im Wartezimmer beim Arzt oder beim Sport.
Und das muss nicht unbedingt ein Gespräch über 50 Schatten von grauem deutschen Winter sein. Oft sind es leichte, situative Gespräche: bei einer Gassirunde — selbstverständlich über die Hunde, bei einer Yogastunde — über die Gelenkigkeit oder ihre Abwesenheit. Und eine Kassiererin kann sich sogar lustig über deine Einkäufe machen (wofür brauchst du denn so viel Bier?).
Und warum braucht man den Small Talk überhaupt?
Solche leichten und unverbindlichen Gespräche lockern die Stimmung auf. Ich freue mich immer, wenn mich jemand anspricht. Manchmal schaffe ich es sogar, mich aus meiner Komfortzone herauszuschieben und selbst jemanden anzusprechen — etwas zu fragen oder einen flachen Witz zu machen. Und schon lächelt diese andere Person und wird von einem weiteren Nachbarn zu meinem neuen Bekannten. Jetzt haben wir eine Verbindung. Das gibt das Gefühl der Gemeinschaft, der Zugehörigkeit. Das ist sehr wichtig, besonders wenn man in einem fremden Land lebt, während alle sozialen Bindungen in der Heimat geblieben sind.
Warum fällt der Small Talk den Russen so schwer?
Es gibt verschiedene Meinungen dazu. Zum Beispiel, dass unser Meckertum kein guter Boden für beiläufige Konversation ist. Oder dass wir zu misstrauisch gegenüber Unbekannten sind. Oder dass aufgrund der sozialen Ungleichheit manche Leute das nette Gespräch mit einem Kellner oder einer Kassiererin für etwas unter ihrem Niveau halten. Andererseits könnte es sich wirklich unangenehm anfühlen, einem Taxifahrer von deiner Reise auf Bali zu erzählen, weil diese Person höchstwahrscheinlich sich das nicht leisten könnte. Ich glaube, all diese Hypothese treffen irgendwie zu. Ich hoffe nur, dass meine Small-Talk-Fähigkeiten noch zu retten sind :D
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Hallo Liubov,
du schreibst extrem gut, klasse! Zudem sprichst du ein sehr interessantes Thema an. So wie es sich anhört bist du auf einem sehr guten Weg, was die vermeintlich belanglosen Gespräche angeht :-)
Ein interessantes Thema! Aus meinem Sicht, es gibt grosse Unterschied wenn zwei Muttersprachler miteinander ein small talk durchführen will, oder wenn jeder kein Muttersprachler ist. Bei einem small talk mit einer fremden Person, Muttersprachler muss wieanders reagieren und aus seinem Fenster durch anderen Welt schauen. Deshalb muss er genug offen sein.
@LindasLinguas vielen Dank, liebe Linda!
Ja, ich gebe mir die Mühe :D
@Mehdi_Deilamani danke schön für deinen Kommentar!
Ich stimme dir zu. Zwischen zwei Muttersprachler läuft es natürlicher und müheloser. Mit einer Person aus einer anderen Kultur kann es schwieriger sein, die passenden Themen zu finden. Manchmal ist man unsicher, ob bestimmte Themen ein Tabu sind. Beispielsweise, die Rede über Politik.
Ja genau, Manchmal findet man etwas wahnsinnig und hoch interessant und will man einem Deutsche erzählen. Aber das Thema bei ihm oder ihr ist ganz normal und sid haben keines Interesse dafür. Sie bleiben höflich und lachen aber wissen sie nicht wie sollen sie antworten. Manchmal versuchen sie alles dir erklären