Auf Russisch gibt es eine Redewendung: "Man geht nicht mit seinen eigenen Regeln in ein fremdes Kloster". Das bedeutet, jeder Ort hat eine eigene Ordnung, an die man sich halten muss. Das gleiche gilt auch, wenn man in ein Land zieht. Ich muss gestehen, Russland ist ein Land, wo Regeln gar nicht wichtig sind. Es gibt einige, aber es ist ganz normal, wenn sie jemand bricht. Außerdem ist es manchmal fast unmöglich, alle Regeln zu halten, weil sie widersprüchlich oder viel zu verwirrt sind. Wenn man in Russland aufgewachsen ist, nimmt man wahr, dass so eine Strategie die richtige ist. Es ist katastrophal, wenn so ein Mensch nach Deutschland zieht. Man versucht dann, seinen Mindset wieder zu verwenden, aber es geht so nicht. Ich lese manchmal Unterhaltungen im Internet, dass jemand wegen einer Regel bestraft wurde und man sagt dann, dass es unfair war und sucht nach einem Anwalt, der helfen wird. Das betrifft mich nicht, aber das nervt, wenn ich nach Russland reise oder in Deutschland einreise. Ich fliege mit demselben Flugzeug, ich stehe in derselben Schlange und spreche dieselbe Sprache. Aber ich bin schon anders, ich trage eine Maske, wo es verpflichtend ist, ich halte Abstand (oder versuche es zumindest) während andere das nicht machen. Ich hasse diese Regeln auch, aber ich mache es trotzdem, weil es sie gibt. In diesen Momenten fühle ich mich unangenehm und schäme mich, dass ich auch die russische Herkunft habe. Aber ich habe es schon mehrmals erlebt, dass eine Person überrascht war, dass ich aus Russland komme. Dann hasse ich, wenn jemand danach fragt, warum ich keinen Wodka mitgebracht habe. Die Tatsache ist, Russland ist groß, alle sind unterschiedlich und Stereotype sind nicht für jeden anwendbar. Ich hoffe, ich finde einen richtigen Weg und einen guten Freunde-Umkreis, so dass ich solche Situationen so gut wie möglich vermeiden kann.