Ein surrealer Tag in Wien (Teil 1/2)
German

Ein surrealer Tag in Wien (Teil 1/2)

by

daily life

Vor etwa zwei Jahren war ich beruflich in Wien. Ich bin Brasilianer und damals konnte ich Portugiesisch, Englisch und Italienisch fließend sprechen, dabei aber fast kein Deutsch, was kein richtiges Problem sein sollte, denn die Arbeit verlangte nur Englischkenntnisse. Eines Morgens kriegte ich Zahnschmerzen, was nicht nur mich sehr körperlich störte, sondern auch bedeutete, dass ich ein paar ärgerliche Dinge erledigen musste, wie meine Krankenversicherung anzurufen und nach einem Zahnarzt zu suchen, der Englisch kann*.

Nachdem alle notwendigen Anrufe durchgeführt und der Termin vereinbart waren, ging ich zum, von der Krankenversicherung empfohlenen, Zahnarzt, dessen Praxis im zweiten oder dritten Stock eines Gebäudes untergebracht war. Dort im Flur stand ein extrem freundlicher, gesprächiger Mann mittleren Alters, der in diesem Stock arbeitete und mir als Witz sagte, dass ich nicht in die Praxis hinein sollte, denn es würde weh tun. Ich lachte und versuchte zu erklären, dass es schon weh tat, aber mein Deutsch war damals wesentlich schlechter als heute (und es ist gerade noch nicht gut genug), also war ich mir deswegen nicht sicher, ob er verstand, was ich sagte.

Nach dem Termin, als die Anästhesie zum Ende führte und ich auf den Aufzug wartete, sprach mich derselbe Mann an und während unserer kurzen gemeinsamen Aufzugfahrt wollte er mich einfach ALLES fragen: woher ich komme, was ich dort tue, was ich von Wien halte ... Ich hatte bestimmt gar keinen Bock eine Sprache zu sprechen, die ich kaum konnte, besonders während mein Mund sich schmerzhaft und komisch anfühlte. Trotzdem gab ich mir redlich Mühe und versuchte, seine Frage richtig auf Deutsch zu beantworten, weil er kein Englisch konnte und ich nicht unhöflich sein wollte. Als wir aus dem Gebäude hinausgingen, fragte er mich, ob ich zurück nach Brasilien fliegen würde, wenn ich Österreich verlasse. Ich antwortete, dass ich zunächst nach Italien musste und er fragte mich in schönem, fließendem Italienischen: „Ach, dann kannst du ganz sicher Italienisch, oder?“

...

Ich war völlig sprachlos und stand wie betäubt. Ich konnte es nicht fassen, dass ich mich trotz des Schmerzes (und meiner nicht existenten Lust) mit ihm auf Deutsch anstatt auf Italienisch unterhalten hatte. Nach einer kurzen Verabschiedung war ich zu aufgeregt, um einfach nach Hause zu gehen. Darum beschloss ich, den Karlsplatz zu besuchen.

▷ Zum zweiten Teil

*Alle Fasern meines Körpers (ein bisschen übertrieben, ich weiß schon, aber verzeiht mir, ich bin ja Brasilianer) wollten mich dazu bringen, „konnte“ statt „kann“ zu schreiben, aber ich habe solche Relativsätze gesehen und ich will so einen mindestens einmal verwenden, auch wenn ich nicht weiß, wann man sie nutzen kann oder welche grammatischen Gründe ihre Verwendung erlauben.

Originalbild: https://nl.pinterest.com/pin/504192120764337751/.

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