Buchwärts
German

Buchwärts

by

reading
language learning
multilingual book club 01
programming

In diesem Text möchte ich (ausnahmsweise!) über etwas anderes als Physik oder Mathematik schreiben. Diesmal geht es um etwas aus eigener Hand. Der Beitrag ist also ein ganz kleines bisschen persönlicher als die bisherigen.

Ich weiß, das Wort „buchwärts“ gibt es im Deutschen nicht. Aber genau das ist ja der Punkt.

Warum schreibe ich es dann?

Gute Frage. Genau darum geht es in diesem Post. Willkommen!

Sommer 2016. Südholland. Am Strand. Ohne Groupies. Ohne Corona. Ein Buch in der Hand haltend, oder auf dem Schoß, oder auf dem Kopf, ich weiß es nicht mehr so genau.

Jedenfalls habe ich irgendwann vor Jahren mir gedacht, dass es doch schön sein könnte, genau zu wissen, welche Wörter ich in der Fremdsprache – in diesem Fall eben Niederländisch – eigentlich schon kenne und welche nicht. Oder noch genauer: Ich habe mir eine beliebige Seite aus irgendeinem Buch vorgestellt mit farbig hervorgehobenen Wörtern. Dabei sollte die Farbe der Markierung den zu einem bestimmten Zeitpunkt geschätzten Wissensstand darstellen, sodass man beim Lesen direkt sehen kann, woran man ist. Ich wollte also buchstäblich sehen, dass ich etwas kenne, erkenne bzw. wiedererkenne (oder auch nicht). „Das klingt nach einem coolen (kleinen) Softwareprojekt!“, dachte ich.

Die Idee schlummerte ein paar Jahre im Unterbewusstsein, bis ich mich letztes Jahr (#Corona) daran gemacht habe, mit dem blöden – sorry, praktischen – Ding endlich anzufangen.

Bevor ich weiter erzähle, sollte ich vielleicht sagen, dass es solch eine Software eigentlich schon gibt (und zwar mehrmals: ReadLang, LWT, LingQ, FLTR, VocabHunter). Ich wusste es nur nicht, und selbst wenn, hätte ich immer noch mein eigenes Ding daraus gemacht. Meine Anforderungen an das Programm werden nämlich nicht von den üblichen Produkten erfüllt (um ehrlich zu sein: von keinem). Vor allem möchte ich etwas mit folgenden Eigenschaften:

  • Einfach zu bedienen
  • Einfach zu programmieren
  • Einfach zu erweitern
  • Modular aufgebaut
  • Die vom Programm verwendeten und erstellten Daten gehören dem Benutzer
  • Das Programm muss offline funktionieren können
  • Das Programm muss sowohl am Rechner (Linux) als auch (irgendwie) auf dem Handy (Android) laufen können
  • Das Lesen eines Buches steht im Vordergrund (Grundfunktionalität)
  • Einfache Abfrage bzw. Eingabe des Wissensstands der einzelnen Wörter
  • Alle Informationen kommen direkt vom Benutzer (Keine Automatismen)
  • Alle Informationen werden im Klartext gespeichert und sollten auch ohne das Programm nützlich sein (Trennung von Daten und Software)

Für mich als Linux-Nerd und beruflichen Softwareentwickler bedeutet „einfach“ etwas für die meisten Computernutzer Abstoßendes: eine Konsolenanwendung.

Eine was?

Ein Programm ohne grafische Benutzeroberfläche, meine ich. Eins ohne Menüs, Schaltflächen, usw.

Sowas gibt es?!

Ja, gibt es. Und ich mag sie, so bin ich nun mal.

Mittlerweile sieht das Programm bei der Ausführung ungefähr so aus:

https://asciinema.org/a/Tp2jsx6RcLj1BN335xtzkIDJy (Linux-Rechner, Katalanisch)

https://asciinema.org/a/cxIplsjYUkxUwuIekcmrhZj1c (Deutsch VS. Niederländisch)

https://asciinema.org/a/Q6LULfxjaKYDzVPmOEqlLtpdy (Android + Termux, Deutsch)

Warum schreibe ich eigentlich darüber? Nun, weil ich dieses kleine Programm verwende, um – Überraschung!– Bücher zu lesen. Konkret lese ich aktuell (noch sehr sporadisch) damit „Der Schatten des Windes“ auf Deutsch und vor allem auf Niederländisch.

Meine Herangehensweise ist die eines „extensiven Lesens“, ich schlage also während einer Lektüre grundsätzlich nichts im Wörterbuch nach, denn das stört mich einfach nur. Ich finde viel wichtiger, tief in die Geschichte einzutauchen und das Buch zu genießen. Das erfordert Übung, denn vor Jahren war meine Tendenz zum Nachschlagen wirklich sehr groß (ich wollte ja immer alles genau wissen). Das möchte ich immer noch, aber alles hat seine Zeit. Außerdem finde ich es mittlerweile um Größenordnungen (auch wenn dies kein Physiktext ist, finde ich immer wieder Möglichkeiten, das Wort hineinzuschmuggeln) wichtiger, zufällige Wörter beim Lesen im passenden Kontext zu lernen. Aus diesem Grund halte ich auch nichts (mehr) von Programmen wie Anki oder Mnemosyne (Software mit einem Algorithmus zur verteilten Wiederholung, also elektronische Karteikartensysteme).

Zurück zum Programm.

Da es ein Programm zum Lesen unter Berücksichtigung des eigenen Vokabulars ist, nenne ich es (liebevoll) „BookWords“. Eigentlich war der Arbeitsname „EdWords“, aber das fand ich sehr schnell zu blöd. Daraus wurde später „Bookwards“ (zu Deutsch „buchwärts“), um zu verdeutlichen, dass es damit und mit einem Buch einfach (sprachlich) vorwärts geht. Ich fand das Wortspiel schön, nur leider ist der Name schon besetzt.

Das Programm ist noch in einem sehr prototypischen Stadium, jedoch möchte ich es in naher Zukunft als Open-Source-Software freigeben. Ich habe nämlich nie die Absicht gehabt, damit Geld zu verdienen. Es ist lediglich ein persönliches Projekt, um zu sehen, ob ich damit meinen Wortschatz abbilden und aufrechterhalten oder sogar verbessern kann.

Ein paar Zahlen zum Abschluss: Auf Deutsch habe ich bis jetzt ca. 22.700 Wörter damit erfasst. Daraus sind 10.047 aktiv bekannt, 5.477 passiv bekannt, 4.958 mehr oder weniger geraten, 2.185 wurden ignoriert (meistens sind das erfundene Wörter, Personennamen oder Orte) und 1545 sind wohl noch unbekannt.

Ich wollte noch mehr über technische Details, Struktur, Bestandteile, Funktionalität usw. schreiben, aber ich denke, das reicht im Moment :).

Ich bin gespannt auf eure Meinungen dazu!

1