Ich bin in einem russischen Dorf zur Schule gegangen. Als Fremdsprache habe ich in der Schule Deutsch gelernt, aber der Fremdsprachenunterricht war an meiner Schule nicht das, was ich mir gewünscht hätte. Wir hatten keine qualifizierte Deutschlehrerin, und als ich schon in der Oberschule war, hatten wir für ein Jahr überhaupt keinen Deutschunterricht, denn unsere Deutschlehrerin ist in Rente gegangen. Das Problem wurde dadurch gelöst, dass unsere Mathelehrerin begonnen hat, Deutsch zu unterrichten. Sie konnte aber kaum Deutsch. Als ich in meinen letzten Schuljahren war, hat unsere Schuldirektorin unsere frühere Deutschlehrerin, die in Rente gegangen war, überredet, wieder bei uns Deutsch zu unterrichten. Als ich in meinem letzten Schuljahr war, habe ich beschlossen, Deutsch als Prüfung abzulegen und es weiter an der Universität zu studieren. Meine Deutschlehrerin war schockiert, denn sie hatte niemals während ihrer Karriere jemanden auf so eine Prüfung vorbereitet. Ich musste mich selbständig auf meine Prüfung vorbereiten, denn meine Deutschlehrerin wusste über das Prüfungsformat nichts. Ich gebe niemandem die Schuld. Meine Deutschlehrerin, auch wenn sie keine qualifizierte Deutschlehrerin war, hat immer ihr Bestes getan, um uns nicht nur Deutsch zu unterrichten, sondern auch das Interesse für die deutsche Kultur zu entwickeln. Ich erinnere mich immer gerne daran, wie sie uns von den Weihnachten in Deutschland erzählt, was für uns Dorfkinder ein wirkliches Märchen war. Sie war eine tolle Lehrerin, und ich bin dankbar ihr gegenüber für die Entwicklung meines Interesses für die deutsche Sprache, aber die Schulbildung in russischen Dörfern ist weit davon entfernt, was man eine gute Schulbildung nennt. Also, ich musste mich selbständig auf die Prüfung vorbereiten, und ich habe es getan. Ich habe es geschafft, die Prüfung zu bestehen. Zu meinem Glück musste ich damals im Rahmen meiner Prüfung nicht den Prüfungsteil “ Sprechen” ablegen, denn niemand hat uns in der Schule auf Deutsch zu sprechen gelernt. Als ich immatrikuliert wurde, hatte ich große Angst davor, dass meine Kommilitonen Deutsch schon gut sprechen würden. Ich habe mich geirrt. Im ersten Studienjahr haben wir alle von null an gelernt, auf Deutsch zu sprechen, denn niemand von uns konnte kein Wort auf Deutsch sprechen. Das Studium war interessant. Wir haben sogar im Rahmen eines Programms zwei Wochen in Deutschland verbracht. Das war meine erste und bis dahin die letzte Reise nach Deutschland. Am Ende meines Studiums hatte ich, glaube ich, das Sprachniveau B2. Seitdem hatte ich eine jahrelange Pause im Deutschlernen. Ich habe Deutsch fast verlernt und wieder begonnen zu lernen. Jetzt bin ich fest davon überzeugt, dass ich Deutsch nicht mehr aufgeben werde, denn Deutsch ist auch die Sprache meiner Selbsttherapie geworden. Ich kann mir schon ohne Deutsch mein Leben nicht vorstellen.
Ein schöner, persönlicher Text mit einem fast winterlichen Lesegefühl. Genau was man im tiefsten Sommer braucht!
Vielen Dank!:)