Reise mit der deutschen Sprache - Der Anfang.
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Reise mit der deutschen Sprache - Der Anfang.

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language learning

Vor neun Jahren, ungefähr, hat's angefangen. Ich hatte die nötigen Schritte für eine Erasmus Börse eingeleitet, und erfuhr in Oktober oder November 2015, dass ich diese bekommen würde. Ich hatte bereits mit einem Professor in Deutschland das Thema meiner Masterarbeit abgesprochen, und würde in einem angesehenen deutschen Institut die Arbeit schreiben. Ich  dachte mit viel Freude und Spannung daran. Ich werde also 6 Monate in Deutschland verbringen dürfen, dachte ich, danach ist mein Studium zu Ende, danach fängt schlussendlich die echte Freiheit an. 

Von Deutsch kannte ich wenig mehr als "Hallo", "kaputt", und "Kartoffel". Da muss man aber sagen, in meiner neuen Umgebung hätte Englisch vollkommen gereicht. Weit über die Hälfte der Angestellten, Studenten und Doktoranden konnten sowieso gar kein Deutsch und ich wäre ohne die Landessprache problemlos mit allem und allen klargekommen. Auch damals, um ehrlich zu sein, wusste ich's.

Plötzlich dennoch, als ich die Benachrichtigung laß, dass mir das Stipendium zugesprochen war, war ich von der deutschen Sprache und von Deutschland wie bezaubert und schwärmte für sie. Ich habe nur bei einigen YouTubers dergleichen Eifer beim Sprachenlernen beobachtet, wie es mich damals getroffen hat. Rückblickend freut es mich sehr, dass eine solche Leidenschaft mich angesteckt hat — man kann nicht effektiver und mit mehr Vergnügen lernen, als die oder der, der mit Leidenschaft lernt. Ich habe viel Glück gehabt, weil man Gefühle und Interesse nicht kontrollieren oder fälschen kann... es wundert mich aber, dass das so passiert ist. Ein Jahr davor hatte ich in Schweden gewohnt, damals auch für ein halbes Jahr. Von dieser Aufenthalt habe ich nur "Hej", "Hejdå", "Tack so mycket" und "Skulle du vilja dricka det?" mitgenommen. Aber für Deutsch und für Deutschland ist es komplett anders gelaufen.

Ich sage, es wundert mich, weil Deutschland kein Land war, an dem ich mich besonders angezogen fühlte. Da hat's nichts mit Geschichte zu tun, nur, Deutschland und Frankreich grenzen aneinander, und diese geografische Nähe brach bei mir weder Neugier für die Kultur, noch dieses Fremdweh, das ich beim Anblick von Bildern mit entfernten Landschaften manchmal verspüre. Deutschland war nicht meine geheimnißvolle Russland.

Noch in Frankreich, drei Monate vor der Abreise, hatte ich mich daran gewöhnt früh aufzustehen, eine Plörre aus löslichem Kaffee zu kochen, und eine Stunde Deutsch zu studieren. Die Lehrbücher der Auslage "Assimil", die ich zu dieser Zeit gerne verwendete kann ich übrigens nur weiterempfehlen. Ich versuchte Harry Potter und die Schachnovelle in bilingualer Auslage zu lesen oder hörte Podcasts und deutsche Musik u.A. Sido und Bushido (ja, doch...), aber ohne etwas zu verstehen. Kurz, ich machte mein bestes. Anschließend ging ich zur Uni, und dachte an meine neuentdeckten Wörter und Grammatikregeln weiter nach.

Drei Monate später, als ich in Hamburg gelandet hatte und im Zug nach Lübeck saß, hatte ich die Grundlagen der Sprache gelernt. Mein Deutsch musste sich ungefähr in hohem A2 befinden. Bei den Gesprächen mit oder zwischen den Deutschen konnte ich aber noch kaum was verstehen, es hat länger gedauert bis ich ein Gespräch verfolgen konnte, aber diese Unfähigkeit zu verstehen machte mich nur noch ungeduldiger und motivierter beim Lernen. In meiner Einzimmerwohnung am Rande eines Dorfes in Schleswig Holstein verbrach ich Stunden, Tage mit der Nase in Büchern gebuddelt und mit einem kleinen Wörterbuch (praktisch, weil es in meiner Hosentasche gut passte).

Meine Nachbarin und Mutter meines Vermieters, eine alte und nette Oma, musste mit Enttäuschung feststellen, dass ich einige sonnige Wochenende bei mir in der Wohnung eingesperrt blieb. Diese Süße und gutherzige Frau brachte mir manchmal einen Stück Karottenkuchen oder Käsekuchen, den sie für ihre Enkelkinder gebacken hatte vorbei, oder lass diesen auf meinem Fensterbanke liegen. Ich verstand kein Wort davon, was sie mir sagen wollte. Einmal aber, sagte sie mir einen Satz, den ich verstehen konnte, und der bei mir einen dauernden Eindruck gelassen hat: "Ouassou, nutzen Sie die Zeit!". 

Sie konnte sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass ich genau dies in meinen Augen tat: ich nutzte das Leben so gut ich konnte. Allerdings ging ich nicht an den See schwimmen oder Kanu fahren, auch ging ich nicht jedes Wochenende in die Stadt ein Eis essen. Sie sah mich nicht von allen üblichen Genüssen profitieren, und dachte, dass ich meine Zeit verschwende. Fortschritt und Wachstum war mein Genuss des Lebens, und ein unermüdliches Verfolgen von meinen persönlichen Zielen - und damit zählte mein Deutsch.

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