Der Berg vor dem Fall.
In den Tagen vor dem Feuer und dem Bruch war der Berg eine Kathedrale der Natur, die mit solcher Anmut den Himmel durchbohrte, dass selbst die Wolken sich um seinen Gipfel neigten. Seine Spitzen waren von ewigem Schnee gekrönt, nicht dem stumpfen Weiß winterlicher Leinwand, sondern einem schimmernden Blau-Silber, als wäre er aus Mondlicht selbst gewoben. Die Hänge stürzten in einem Farbenrausch hinab: smaragdgrüne Wälder, so dicht, dass sie zu atmen schienen, Wiesen wilder Blumen, die wie ein Herzschlag im Wind pulsieren, und kristallklare Wasserfälle, die mit der unbändigen Freude lebendiger Wesen von den Klippen sprangen.
Bei Sonnenaufgang vergoldete die Sonne die östlichen Grate und entzündete die Tautropfen, bis der ganze Berg wie der Hort eines Drachen funkelte. Bei Einbruch der Dunkelheit füllten sich die Täler mit lavendelfarbenen Schatten, und die Luft wurde schwer vom Duft des Harzes und eiskalter, klarer Bäche. Die Dorfbewohner flüsterten, die Wurzeln des Berges schlängelten sich tief in den Kern der Welt, wo Flüsse aus geschmolzenen Edelsteinen flossen – und vielleicht taten sie das, denn die Erde hier summte von einer leisen, uralten Magie.
Doch es war der Himmel, der den Berg heilig machte. In der Nacht, befreit von der Tyrannei der Sonne, funkelten die Sterne nicht nur – sie sangen. Ihr Licht fiel in sichtbaren Akkorden, wogte über die Schneefelder wie flüssiges Silber. Manche behaupteten, die Polarlichter seien die Seele des Berges, die für die Götter tanzte.
Dann kamen die Drachen.
Die ersten Feuer verwandelten die Gletscher in weinende Narben. Die Wälder wurden zu skeletthaften Händen, die an einem rauchverstopften Himmel krallten. Die Wasserfälle erstickten an Asche, und die Edelsteine in der Tiefe – jene, nach denen der Zwerg so gierig giert – verdunkelten sich zu bloßem Glas.
Wo einst der Berg den Himmel berührt hatte, trug er nun eine Krone aus Rauch und die Sterne, wenn sie noch sangen, taten es für niemanden.
Der Krieg der Narren
Siehe! Auf den hohen und geheiligten Hängen des Berges Vaelthor, wo die Luft süß von Thymian war und die Flüsse wie Quecksilber unter den wachsamen Augen uralter Kiefern flossen, lag die schöne Stadt Eldermere. Ihre Türme, aus hellem Kalkstein gefertigt, fingen das erste Erröten der Morgendämmerung ein, und ihre Kopfsteinpflasterstraßen hallten wider vom Lachen der Kinder und den Liedern der Spielleute. Ihre Bewohner kannten Frieden, und der Reichtum des Berges – goldene Äpfel, honigsüßer Met und Herden, fett von Klee – war ihr Geburtsrecht.
Doch das Verderben kam über sie mit einem Geräusch wie zerreißende Seide, als der Himmel sich spaltete. Aus dem Riss stürzten die Drachen herab, ihre Schwingen schwarz vor der Sonne, ihre Augen glühend vom Zorn verlorener Welten. Das Männchen, mächtig und donnerkehlend, ließ ein Brüllen los, das die Wurzeln des Berges erzittern ließ. Seine Königin, schlank wie ein Dolch, wand sich um den höchsten Turm, ihr Lachen ein Gift im Wind. „Seht diese kriechenden Dinger“, zischte sie. „Sollen wir sie nicht die Furcht lehren?“
Die Ritter von Eldermere, in Stahl gekleidet, hell wie geweihtes Silber, erhoben ihre Lanzen gen Himmel. Ihre Banner – azurblau und gold, bestickt mit dem weißen Hirschen ihres Geschlechts – flatterten stolz wie Gebete. „Für Heim und Krone!“, riefen sie, und die Bogenschützen ließen einen Hagel von Pfeilen fliegen.
Doch die Drachen antworteten mit Feuer.
Oh, das Feuer! Es fiel nicht als Flamme, sondern als eine zweite Sonne, gierig und verschlingend. Strohdächer wurden zu Asche im Hauch eines Seufzers. Die großen Eichentore, mit den Gesichtern der Heiligen geschnitzt, schwärzten sich und weinten Pech. Die Bürger flohen, ihre Stimmen im Feuerwind verloren, ihre Schatten lang über die berstenden Steine gemalt.
Und inmitten dieser Zerstörung schlich der Zwerg wie eine Ratte in der Halle eines Königs. In Lumpen gehüllt und stinkend nach Gier, flüsterte er König Edric ins Ohr: „Mein Herr, die Schlangen schwören, Eure Kinder in ihren Wiegen zu verbrennen!“ Dann, schnell wie die Sünde, schlängelte er sich zu den Drachen und rang die Hände. „Hört, Wyrm-Herren! Die Menschen schmieden Speere, getränkt mit Wyvern-Galle, um Eure Herzen zu durchbohren!“
Mit jeder Lüge zupfte er – stummelig und hinterlistig – Rubine aus dem gefallenen Mauerwerk, stopfte Saphire in seinen schmutzigen Beutel. Die Adern des Berges bluteten Schätze, und er trank tief.
Die Schlacht tobte. Drachenfeuer verwandelte die Obstgärten in Scheiterhaufen; Ritterstahl klirrte gegen Schuppen und zog schwarze Lymphe wie verdammte Tinte. Die einst stolze Stadt, ihre Gärten nun Leichentücher, ihre Türme Grabsteine der Hoffnung, ächzte unter der Last ihrer eigenen Vernichtung.
Und hoch oben lachte der Zwerg, seine Zähne gelb wie Feiglingsgold.
Das Land weint
Seht nun das große Weinen der Erde, wo einst der goldene Weizen unter der Sommerhitze schwer niederhing. Die Felder, einst wie das Haar einer Maid im Wind wogend, lagen nun gespalten, ihr rissiger Lehm klaffte wie die ausgedörrten Zungen hungernder Männer. Die Knochen der Erde traten hervor – blasse Kalksteinrippen, die durch toten Boden stießen, wo kein Samen mehr Wurzeln schlagen würde.
Die uralten Eichen, jene stummen Wächter, die seit den Tagen des Großvaters des ersten Königs gestanden hatten, fielen schreiend unter den Äxten der Ritter. Ihre Blätter, einst grün wie smaragdene Träume, verdorrten noch in der Luft zu aschigen Geistern, bevor sie den verseuchten Boden berührten. Der Rauch ihrer Scheiterhaufen wickelte sich dick um den Hals des Berges, bis die Sonne selbst kränklich und bleich hinter ihrem Schleier wurde und das Land in der Farbe eines frischen Blutergusses färbte – gelb im Morgengrauen, violett in der Abenddämmerung.
Wo einst süße Beeren dick wie Sterne am Firmament hingen, blieben nur verkohlte Dornen, die nach der verdorbenen Luft griffen wie die skelettierten Finger Gehenkter. Die Bergbäche, deren Lachen einst in den Tälern widerhallte, zischten und spuckten nun, als das Feuer der Drachen ihre Betten leckte, bis nur noch rissiger Schlamm übrig blieb, durchzogen von Spalten, die von Durst flüsterten.
Unter dieser sterbenden Welt wühlte der Zwerg wie eine Made im Fleisch, seine schmutzigen Hände kratzten an den Wunden des Berges. Wo seine Finger gruben, blutete die Erde Edelsteine – Smaragde wie gefrorene Tränen, Rubine wie geronnenes Blut –, die alle in seinen stets gierigen Sack fielen. Je tiefer er ging, desto heißer brannten die Steine, bis sein Bart rauchte und seine Nägel schwärzten, doch er kratzte weiter, taub für die Todesrufe der Welt oben.
Hoch auf dem zerbrochenen Turm der Kapelle des Heiligen Aldric (wo einst die Glocken so süß zum Abend geläutet hatten), hockte die Drachenfrau, ihre Obsidianschuppen verkrustet mit dem Ruß hundert verbrannten Häuser. Mit langsamen, genüsslichen Zügen leckte sie die Asche von ihren Klauen, jeder Geschmack eine Erinnerung an brennende Dächer, an Scheunen, die in Funkenregen explodierten. „Diese Welt ist schwach“, summte sie in den Wind, ihre Stimme klang wie ein Dolch, der über Schiefer gezogen wird.
Doch ihr Gefährte, der große Wyrm, dessen Flügel einst die Sonne verdunkelt hatten, stand reglos auf der verbrannten Erde. Sein Feuer, das bei ihrer Ankunft so heiß gebrannt hatte, glomm nun schwach in seiner Brust, als er auf ihr Werk blickte. Die rissige Erde spiegelte die Risse in seiner Seele; die Stille des toten Landes hallte wider in der Stille, die in seinem Herzen wuchs. Wo sein Atem einst Höllen geboren hatte, kräuselten sich nun nur dünne Rauchfäden aus seinen Nüstern – die letzten, verblassenden Seufzer eines Eroberers, der plötzlich den Preis der Eroberung verstand.
Und in der schrecklichen Stille zwischen den Schlägen seiner Flügel weinte der Berg seine langsamen, trockenen Tränen aus Asche.
Das Ende aller Dinge
Der Winter kam nicht als Jahreszeit, sondern als Fluch. Er schlich sich mit Atem wie Grabeskälte über das Land, fror die letzten trüben Pfützen zu gläsernen Hohnbildern der verlorenen Bergbäche. Die Menschen – die wenigen, die noch atmeten – hockten in Höhlen, in denen einst Bergleute beim Kupferschürfen gesungen hatten. Nun waren ihre Stimmen zu Krächzen vertrocknet, ihre Worte zerfielen wie fauler Faden. Kinder vergaßen die Namen von Brot und Milch; Alte flüsterten mit Phantomen in der Dunkelheit. Der Hunger nagte an ihnen allen, scharf wie Rattenzähne, bis selbst ihre Gebete verstummten.
Den Drachen erging es nicht besser. Ihre mächtigen Schwingen, einst stolz gegen den Himmel gespannt, hingen nun wie zerfetzte Segel an einem verlassenen Schiff. Ihre Bäuche, leer von Schafen und Schrecken, knurrten wie ferner Donner. Das Feuer des Männchens war zu Glut erkaltet; das Lachen seiner Gefährtin war zu einem trockenen, rasselnden Husten geworden. Sie hockten auf den verkohlten Überresten des höchsten Stadtturms, ihre goldenen Augen stumpf vor einer Müdigkeit, die kein Tier kennen sollte.
Und der Zwerg?
Er stand knietief in Juwelen, sein Sack prall von gestohlenem Reichtum. Smaragde funkelten zwischen seinen Fingern wie die Augen toter Katzen; Rubinen tropften aus seinen Taschen wie geronnenes Blut. Zum ersten Mal hob er den Kopf – und hörte die Stille.
Keine Schreie mehr. Kein Klirren von Stahl. Keine süßen, trügerischen Flüsterworte, um den Krieg zu nähren. Nur der Wind, der über die Ödnis heulte wie ein trauernder Geist und die Knochen der Welt blank fegte.
Dann –
Ein Geräusch wie zerbrechendes Glas. Eine Störung in der Luft, ein Riss im Gewebe des Himmels. Hindurch stürzte ein weiteres Drachenpaar, ihre Schuppen glänzend von einer Welt ohne Feuer. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihre Flügel schlugen panisch, als sie auf der verbrannten Erde aufschlugen. Das Männchen brüllte verwirrt, seine Stimme hallte durch die toten Täler. Seine Gefährtin fauchte, ihre Krallen ritzten den aschigen Boden, ihr Blick sprang zwischen der zerstörten Stadt und den hungernden Drachen, die sie mit hohlen Augen anstarrten.
Das Grinsen des Zwergs spaltete sein schmutziges Gesicht wie ein Riss in trockenem Lehm. Er hob seine Spitzhacke, ihre Schneide kerbenreich und befleckt, und leckte sich die Lippen.
Irgendwo unter der Asche, wo die letzten Glutreste von Eldermeres Herden längst erloschen waren, lagen die Knochen des letzten Menschenkindes halb im Ruß begraben. Der Wind bewegte sie, nur einmal, wie zum Abschied – dann zerfielen auch sie zu Staub, verloren in der Erinnerung einer Welt, die verlernt hatte zu weinen.
Moral.
„Angst mästet die Gierigen – doch am Ende erstickt selbst der Schlemmer an Asche.“