In diesem Beitrag geht es um die allgemeine Relativitätstheorie.
Albert Einstein hat im Jahr 1905 die „spezielle Relativitätstheorie“ ausgearbeitet und veröffentlicht. Zehn Jahre später hat er diese Theorie verallgemeinert. Im November 1915 war die Geburtsstunde der „allgemeinen Relativitätstheorie“. Erst nach 1915 wurde die spezielle Relativitätstheorie so genannt (früher hieß sie einfach „Relativitätstheorie“). Die spezielle Relativitätstheorie ist die Theorie der Raumzeit in Abwesenheit der Gravitation. Die allgemeine Relativitätstheorie schließt die „Schwerkraft“ in ihrem theoretischen Gebilde mit ein. Dies ist jedoch nicht ohne Weiteres möglich.
Die spezielle Relativitätstheorie ersetzt die newtonsche Mechanik. Die allgemeine Relativitätstheorie ersetzt das newtonsche Gravitationsgesetz. Damit hat Einstein zweimal die physikalischen Theorien von Isaac Newton über Bord geworfen und somit die klassische Physik etwas modernisiert. Trotzdem handelt es sich dabei immer noch um zwei Theorien der klassischen Physik, denn erst mit der Quantenmechanik wird die „moderne Physik“ begründet. Die klassische Physik erkennt man beispielsweise daran, dass dabei immer noch von „der Bahn eines Teilchens“ die Rede ist. Anders formuliert: Die allgemeine Relativitätstheorie ist zwar sehr abstrakt und mathematisch anspruchsvoll, dennoch ist sie immer noch wesentlich anschaulicher als die Quantenmechanik. Eben diese Anschaulichkeit der allgemeinen Relativitätstheorie ist möglicherweise einer der Gründe, warum sie (insofern Physik solchermaßen bezeichnet werden kann) so beliebt oder zumindest ansprechend ist.
In der newtonschen Physik war die Gravitation eine Kraft, d. h. etwas, was die instantane (gleichzeitige) Wechselwirkung zweier Körper darstellte. Ein wesentlicher Begriff innerhalb der newtonschen Physik ist der eines Inertialsystems. Dieser Begriff ist nicht nur aus logischer Sicht nicht zufriedenstellend, sondern hat auch zur Folge, dass die Gesetze der Physik nur in bestimmten Bezugssystemen gelten (eben in den Inertialsystemen). Diese inhärente Problematik der newtonschen Physik ist auch noch in der speziellen Relativitätstheorie zu finden. Die spezielle Relativitätstheorie ist „nur“ eine Verallgemeinerung der newtonschen Begriffe von „Raum“ und „Zeit“ zu einem einzelnen Begriff (zur „Raumzeit“). Dabei handelt es sich sozusagen um eine „flache“ Raumzeit, also um eine Raumzeit ohne Gravitation, wobei der Abstand im vierdimensionalen Sinne (das sogenannte „Intervall“) zwischen zwei Ereignissen nun eine universelle Bedeutung hat. Nicht der Abstand im dreidimensionalen Sinne (der übliche Begriff von „Abstand“) ist eine physikalisch vergleichbare Größe (zwischen zwei Bezugssystemen in gleichmäßiger, relativer Bewegung), sondern das Intervall.
Die allgemeine Relativitätstheorie Einsteins hat dieselbe Erfahrungstatsache als Grundstein wie die newtonsche Gravitation: die Fallgesetze von Galileo Galilei. Genauer: Die Tatsache, dass alle Körper nah an der Erdoberfläche mit derselben Beschleunigung zu Boden fallen. Newton hat zuerst diese Tatsache als Ausdruck einer Kraft gedeutet. Einstein hat sie als Eigenschaft der Raumzeit verstanden. Die Gravitation ist laut Einstein also keine Wechselwirkung zweier Körper, welche sich durch den Raum ausbreitet, sondern vielmehr eine inhärente Eigenschaft der Welt, oder etwas prosaischer formuliert: Die Gravitation ist die Krümmung der Raumzeit, welche eine Masse (oder eine bestimmte Energie) verursacht. Diese Aussage kann man mit der sogenannten Differentialgeometrie mathematisch ausdrücken.
Albert Einstein hat nicht wie Isaac Newton an fallende Äpfel gedacht, sondern an Aufzüge. Er hat sich eine Aufzugskabine vorgestellt, die nicht mehr auf der 7. Etage eines Gebäudes (um irgendwas zu sagen) stillsteht, sondern eine, die sich plötzlich im freien Fall befindet. Der freie Fall bedeutet, dass jeder Punkt von und innerhalb der Aufzugskabine sich mit konstanter Beschleunigung bewegt. Die Person in der Aufzugskabine „schwebt“ innerhalb der Kabine (und stirbt nach dem Aufprall mit der Erdoberfläche, aber so weit hat Einstein nicht gedacht). Diese Tatsache ist auch der Grund, warum es überhaupt „freier Fall“ heißt. Danach (oder davor, wer weiß) hat Einstein an eine Aufzugskabine im Weltraum gedacht. Dabei soll es sich um eine Aufzugskabine weit entfernt von jeglichen Massen- oder Energieverteilungen (physikalischen Einflüssen) handeln. Diese Aufzugskabine bewegt sich (bezüglich der Erde) mit konstanter Beschleunigung. Die Person im Aufzug glaubt, sie befindet sich im freien Fall (sie schwebt im Aufzug). Beide Gedankenexperimente sind aus physikalischer Sicht äquivalent. Das ist das sogenannte Äquivalenzprinzip.
Die Grundidee der allgemeinen Relativitätstheorie könnte folgendermaßen zum Ausdruck gebracht werden: Da alle Körper im freien Fall dieselbe Beschleunigung (bezüglich der Erdoberfläche) erfahren, ist dies keine Eigenschaft des Körpers, sondern vielmehr eine Eigenschaft des Raumes selbst (der Raumzeit). Beide Interpretationen führen zu unterschiedlichen physikalischen Theorien, mit jeweils verschiedenen Gültigkeitsbereichen. In diesem Fall ist die allgemeine Relativitätstheorie die aktuell gültige Theorie der Gravitation und ersetzt die newtonschen Vorstellungen von Raum, Zeit und Schwerkraft. Der Grenzfall der allgemeinen Relativitätstheorie für langsame Geschwindigkeiten (gegenüber der Lichtgeschwindigkeit) und schwache Raumzeitverkrümmungen stimmt mit dem newtonschen Gravitationsgesetz überein.
Eigentlich gab es im Jahr 1915 keinen triftigen Grund um überhaupt daran zu denken, das newtonsche Gravitationsgesetz zu ersetzen. Albert Einstein hat allein aus dem Bauchgefühl heraus (insbesondere aus Unzufriedenheit mit der Sonderrolle der Intertialsystemen innerhalb seiner eigenen speziellen Relativitätstheorie) daran gedacht, den Ursprung der Gravitation woanders zu suchen. Lediglich sehr genaue Messungen der Bewegung des Planeten Merkur (die sog. Periheldrehung) waren zu der Zeit nicht im Rahmen der newtonschen Schwerkraft zu verstehen, aber solche Unstimmigkeiten zwischen Experiment und Theorie ergaben in der Vergangenheit die Entdeckung von neuen Planeten (sie waren also Ausdruck von fehlenden Daten anstatt von ungenauen Theorien). Die Periheldrehung jedoch ist ein allgemeinrelativistischer Effekt und ihre (mathematische und numerische) Erklärung durch Einstein der erste große Erfolg der Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie.
Im Jahr 1919 wurde bei einer Sonnenfinsternis der sogenannte Gravitationslinseneffekt gemessen. Diese Ergebnisse waren ebenfalls in Übereinstimmung mit den Vorhersagen aus der allgemeinen Relativitätstheorie. Aufgrund dieser Erklärung wurde Einstein über Nacht weltberühmt und wird seitdem als glänzender Superstar der Physik angesehen.
Im Jahr 2015 wurden erstmalig Gravitationswellen experimentell (direkt) nachgewiesen. Die Gravitationswellen sind auch ein physikalischer Effekt der Gravitationstheorie Einsteins. Dabei handelt es sich um Wellen in der Raumzeit (im Gegensatz zu Wellen durch die Raumzeit). Solche Gravitationswellen ändern zum Beispiel den räumlichen Abstand und die Zeitspannen der Messungen einer höchstgenauen technischen Anlage (eines Laser-Interferometers mit dem Namen LIGO). Solche Abstandsmessungen sind um Größenordnungen kleiner als die eines Atomes. Aufgrund dieser sehr kleinen Zeit- und Raumskalen wurden die Gravitationswellen erst in diesem Jahrhundert experimentell nachgewiesen, genau 100 Jahre nach ihrer theoretischen Vorhersage durch Einstein.
Noch ein Effekt der allgemeinen Relativitätstheorie sind die schwarzen Löcher. Ein „schwarzes Loch“ ist eine Region in der Raumzeit (z. B. ein sehr massiver Stern am Ende seines Lebens) mit einer dermaßen starken Raumzeitkrümmung, dass nicht einmal das Licht aus dieser Region entkommen kann. Solche astronomischen Objekte gibt es auch im Innern einer Galaxie (das sind die sogenannten „aktiven Galaxienkerne“; in unserer Milchstraße ist es in Richtung des Sternbildes Schütze zu finden). Beispielsweise bei der „Verschmelzung“ zweier schwarzen Löcher werden solche starken Gravitationswellen verursacht, welche selbst hier auf der Erde mit einem Interferometer wie LIGO messbar sind. Diese erst vor wenigen Jahren erreichte technische Präzision eröffnet neue Möglichkeiten für die Astronomie und die Astrophysik.
Nur die Quantenmechanik passt nicht zur allgemeinen Relativitätstheorie. Diese beiden Theorien sind (nach dem heutigen Wissen) nicht miteinander zu kombinieren, ohne dass dabei „Singularitäten“ (unendlich große Mengen) auftreten. Diese Konflikte sind (wenn überhaupt) nur mit einer neuen Theorie zu beheben, welche irgendwann vielleicht die allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenmechanik wiederum als Speziallfälle zu reproduzieren vermag. Möglicherweise ist auch dabei zuerst ein Wechsel der bis jetzt angenommenen physikalischen Vorstellungen notwendig.
Wie immer inhaltlich äußerst informativ und gleichzeitig ansprechend geschrieben. Es ist echt beeindruckend, wie du diese Themen aufarbeitest und uns dann vermittelst. Mir fällt es dadurch erstaunlich leicht, mein Interesse beim Lesen zu behalten. Ganz im Gegenteil zu dem Physikunterricht, den ich früher durchleiden musste. Weiter so!
Vielen Dank für den sehr ermutigenden und motivierenden Kommentar, Lynn 😳. Es freut mich sehr, dass du immer noch dabei bist! (Das nächste Thema braucht leider etwas mehr Zeit, mit morgen wird nichts, fürchte ich).
Oder ich mache es so, dass ich das Thema einfach in zwei aufteile, weil der Text ist jetzt schon nur zur Hälfte geschrieben aber ungefähr so lang wie dieser... Na ja, mal gucken, wie ich morgen früh darüber denke.
Nichts zu danken. Ist ja deiner Leistung zuzuschreiben, dass wir uns hier so gerne versammeln. Und solange mich die ausgewählten Themen weiterhin so fesseln, wirst du mich so schnell nicht los :D Aber bitte stresse dich nicht unseretwegen. Stell deine Texte einfach online, wenn du damit zufrieden bist. Sonst ärgerst du dich nachher nur unnötig. Obwohl... wenn ich an die Gesamtlänge des Textes denke... vielleicht wäre eine Aufteilung gar nicht so schlecht xD
Ich hab dir übrigens vorhin auf deine Frage bezüglich "zurückkommen" (@Albas Text über Musik) geantwortet. Hatte sie leider erst in der heutigen Mail entdeckt.
Lynn: Dann hoffe ich sehr, dass du die Themen weiterhin spannend findest. Falls nicht, kannst du auch gerne welche (innerhalb der Physik) vorschlagen :). @Caro: Du ebenfalls.
Lynn: Zum Musik-Beitrag und deinem Kommentar - Ja, die tägliche E-Mail verlangsamt manchmal einiges, vor allem bei den Posts, die ich nicht mehr auf dem Schirm habe. Aber so habe ich deine Anmerkung auch früher gesehen :). [Sie hat auch einen nächsten Post geschrieben, den ich gestern Nacht lustig fand, aber ich bin mir nicht immer bei meinen "Korrekturen" so sicher, ob (a) sie stimmen und (b) ich was vergessen habe.]
Die Spannung bleibt auf jeden Fall bestehen, da ich so gut wie gar nichts über Physik weiß. Mein Schulunterricht war... ähm... vergessen wir das. Meine einzige Informationsquelle über Physik war die Big Bang Theroie Serie xD Ich kann daher nicht mal ein Thema vorschlagen :I
Stimmt. Mich würde es allerdings auch nerven, wenn immer sofort eine Nachricht per Mail käme. Also geb ich mich mit der Mail zufrieden :D Ich hatte heute leider nicht so viel Zeit auf Journaly. Werde mir ihre neuen Beiträge aber sicher in den nächsten Tagen durchlesen, wenn hier etwas Ruhe bei mir einkehrt :)