Isaac Newton und der Apfelbaum 🍎
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Isaac Newton und der Apfelbaum 🍎

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In diesem Beitrag geht es um das newtonsche Gravitationsgesetz.

Vor Newton war es noch nicht klar, was die Schwerkraft eigentlich genau ist. Epistemologische Fragen nach dem wahren Wesen der Schwerkraft beiseite, konzentrieren wir uns hier auf die physikalische Bedeutung (in Form messbarer Ereignisse) der Schwerkraft. Eigentlich enthält das Wort „Schwerkraft“ an sich schon die halbe Antwort. Früher (vor Newton) wurde die Schwerkraft, die Gravitation, einfach als „Schwere“ bezeichnet. Was ist denn die „Schwere“? Geht es dabei z. B. um eine Eigenschaft des Raumes? Oder ist sie eine Eigenschaft der Masse? Oder spielen andere Effekte oder Zusammenhänge dabei eine wesentliche Rolle?

Isaac Newton hat sein Gravitationsgesetz aus damals schon bekannten Tatsachen entdeckt, mit einer sehr großen Portion Intuition und Mathematik-Getue. Damals schon bekannt waren die keplerschen Gesetze der Planetenbahnen. Im Grunde sagen die drei keplerschen Gesetze aus, dass sich die Planeten des Solarsystems um die Sonne in Form von Ellipsen bewegen. Die Sonne ist dabei ein Brennpunkt der Ellipsenbahn eines jeden Planeten (z. B. der Erde). Außerdem gibt es noch zwei weitere mathematische Zusammenhänge für die genaue Bewegung des Planeten entlang der Ellipsenbahn. Isaac Newton konnte diese rein experimentellen Tatsachen anhand seines Gravitationsgesetzes erklären bzw. herleiten. Das ist auch die große Leistung hinter der Formulierung des Gravitationsgesetzes: Alle Planentenbahnen sind plötzlich mathematisch aus einem physikalischen Gesetz berechenbar. Und nicht nur die Planetenbahnen, sondern auch die Bewegung des Mondes und der Fall eines Apfels im Schwerefeld der Erde in der Nähe der Erdoberfläche.

Vor Newton gab es Spekulationen und erste intuitive Gedanken darüber, dass die Ellipsenbahnen irgendwas mit dem Quadrat des Abstandes zwischen Planet und Sonne zu tun haben könnten (dank z. B. Robert Hooke, später bekannt als Captain Hook in Peter Pan). Genauer gesagt lautete die Vermutung, dass die mathematische Form der Kraft (oder der Beschleunigung) „umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes“ sein könnte. Groß war dann die Überraschung des Mathematikers und Astronomen Edmond Halley (ein gewisser Komet ist nach ihm benannt) als er eines Tages den jungen Newton vor der Tür fragte: „Hey, Newty, weißt du zufällig, welche Bahn sich aus einer Kraft ergibt, die umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes ist?“ und der gute alte (nun, damals noch ziemlich junge) Isaac darauf sofort antwortete: „Jo, Edmie, das ist genau eine Ellipse“. Nun, das Gespräch ist vermutlich leicht anders verlaufen, aber das ist für unsere Gutenachtgeschichte hier gut genug.

Edmond Halley bat Newton, seine Gedanken und Herleitungen bezüglich der Planetenbahnen auszuarbeiten („wie um Himmels Willen kann er wissen, dass es genau Ellipsen sind?“, hat er sich wahrscheinlich dabei gedacht) und zu veröffentlichen. Es gab zu diesem Thema ein kleines Artikelchen mit dem Namen „De motu corporum in gyrum“ und Jahre später hat derselbe Halley Newton gebeten, sein Buch „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“ zu verfassen und hat sogar seine Publikationskosten getragen. Er war also eine Art Sugardaddy für Newton, der für seine Dienste allerdings nicht die übliche Gegenleistung erhielt, sondern stattdessen mit dem Vorantreiben der klassischen Physik entlohnt wurde.

Isaac Newton soll die Geschichte mit dem Apfel selbst erfunden haben. Wahrscheinlich hat er dabei nur gesehen, dass ein Apfel von einem Apfelbaum (logisch) fällt. Dass der Apfel ihn fast umbrachte ist aber falsch. Jedenfalls soll jener Apfel im Garten Edens das Samenkorn zu seinen Gedanken über die Gravitation gewesen sein. Vielleicht hatte er nichts anderes zu tun, vielleicht hatte er keinen Hunger, jedenfalls hat er den Apfel beiseite gelassen und ist stattdessen ins Grübeln geraten.

Die Grübelei lief ungefähr so ab: „Was könnte der Grund sein, warum der Apfel fällt? Ich habe keine Ahnung. Okay, ich versuch's noch mal. Hm... vielleicht... nein... Ich hab's, die Formel dafür lautet so“.

Kleiner Scherz. Er hat sich dabei überlegt, dass sowohl der Apfel als auch der Mond vielleicht dieselbe physikalische Ursache (die Schwerkraft der Erde) für ihre Bewegung haben. Nur bewegt sich der Apfel geradlinig (fällt auf die Erdoberfläche) und der Mond (näherungsweise) in einem Kreis um die Erde. Er hat also (später, im Büro, mit Papier und Feder und einer Cola Light) damit angefangen, die Kreisbewegung des Mondes um die Erde mathematisch zu analysieren. Er hat zum Beispiel herausgefunden, dass die kreisförmige Bewegung mit konstanter Drehgeschwindigkeit eine Beschleunigung hat (als Vektor), die zum Kreismittelpunkt zeigt (dies ist alleine aus Symmetrieüberlegungen ersichtlich, aber egal) und vor allem auch, dass die mittlerweile im Schulunterricht gelernte Formel a = v²/r gilt (der Betrag der Beschleunigung ist proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit und umgekehrt proportional zum Radius). Diese schöne Formel hat er dann nach einem Eureka-Ruf voller Freude (ok, das habe ich gerade erfunden) verwendet, um die Beschleunigung des Mondes um die Erde das erste Mal in der Geschichte zu berechnen. Und Überraschung: Der Vergleich dieses Ergebnisses mit der Erdbeschleunigung (vom Apfel) nah an der Erdoberfläche lieferte genau die Zahl 3.600.

Und was soll man jetzt damit?

Nun, jemand wie Newton hat sofort (oder spätestens nach einem kurzen Nickerchen) gesehen, dass 3.600 = 60² ist. Und jemand wie Newton hat auch gewusst (oder jemanden wie Halley danach gefragt), dass der Abstand vom Mond so ziemlich genau 60 Mal der Erdradius ist. Daraus ergibt sich, oh je, dass die Beschleunigung des Mondes umgekehrt proportional zum Abstand bezüglich des Erdmittelpunktes ist. Und aus der Annahme, dass der Apfel und der Mond (und die Planeten und die Perücke vom Herrn Halley bei frischem Wind) dieselbe physikalische Ursache für ihre Bewegung haben, ergibt sich, dass dieses Gesetz von universeller Bedeutung ist. Das ist der Ursprung des Gravitationsgesetzes.

Die Schwerkraft ist demnach eine Kraft, welche immer zwischen zwei massiven Körpern (bspw. Sonne und Erde) auftritt und umgekehrt proportional zum Abstand zwischen ihnen ist. Alleine diese mathematische Funktionalität (1/r², also Eins durch den quadrierten Abstand) kann die (alle drei!) keplerschen Gesetze erklären.

Laut dem 2. newtonschen Gesetz (F = m * a) ist eine Krafteinwirkung – unabhängig der Art der Kraft – immer proportional zur Masse (m), auf die die Kraft (F) wirkt. Im Falle der Schwerkraft muss aber die mathematische Formel für die Kraft herausgefunden oder postuliert werden, welche die empirisch beobachtbare Beschleunigung (a) physikalisch erklärt. Das 2. newtonsche Gesetz macht an sich keine Aussagen über die Art der Kraft F. Zum Glück für Newton gab es zu seiner Zeit noch ein Stückchen empirisches Wissen dank Galileo Galilei: Alle Körper (nah an der Erdoberfläche) fallen mit derselben Beschleunigung zu Boden. Mit anderen Worten: Die Beschleunigung eines Körpers ist unabhängig von seiner Masse. Dabei wird vorausgesetzt, dass es dabei keinen Luftwiderstand gibt (und dementsprechend auch keine Luft, also viel Spaß beim Atmen!), aber das ist ja auch gut so, denn wir untersuchen ja nur den Fall, dass die Schwerkraft die einzige Wechselwirkung (Kraft) im Spiel ist. Für die Schwerkraft ergibt sich – aus den Fall(schirm)experimenten von Galileo Galilei –, dass die Formel für F auch die Masse m enthalten muss. Nur so ergibt sich (in Einklang mit den empirischen Beobachtungen stehend) wiederum eine massenunabhängige Beschleunigung. Die Formel für die Schwerkraft muss also die Masse des Körpers enthalten, auf den sie wirkt (die Schwerkraft auf dem Mond ist proportional zur Masse des Mondes).

Aufgrund des 3. newtonschen Gesetzes (Kräfte treten paarweise auf, wirken auf zwei verschiedene Körper und sind entgegengesetzt gerichtet) und seine Symmetrie ergibt sich, als Plausibilitätsargumentation, dass die zweite Masse auch in der Formel vorhanden sein sollte. Demgemäß lautet die Formel des Gravitationsgesetzes: m*M/r². Dabei werden die beiden Massen (z. B. der Sonne und der Erde) miteinander multipliziert und durch den Abstand zwischen ihnen dividiert. Dann fehlt nur noch die universelle Gravitationskonstante als multiplikativer Faktor in der Formel um die Einheiten der Kraft („Newton“) zu bekommen und voilà. Die erste physikalische Formel der Geschichte für eine Kraft ist frisch zu servieren.

Aus der Mondbewegung ergibt sich also die mathematische Abhängigkeit mit dem Abstand. Mit etwas Hokuspokus gibt es dann auch noch die Abhängigkeit mit den beiden Massen. Die Gravitationskonstante G ist dann nur noch das Sahnehäubchen auf der Apfeltorte.

Bei den Planetenbahnen kann man berechnen, dass die Beschleunigung in jedem Punkt auf der Ellipse ein Vektor ist, der stets zur Sonne (!) zeigt. Die rein mathematische Berechnung ergibt also eine gerichtete Größe, die nicht zufällig in irgendeine Richtung zeigt, sondern genau in Richtung von etwas Existierendem. Die Beschleunigung ist dementsprechend eine mathematische Größe von physikalischer Bedeutung sowie der Ausdruck einer Krafteinwirkung. Diese Tatsache ist im zweiten newtonschen Gesetz (F = m * a) enthalten. Das Gravitationsgesetz verkörpert das Wissen über die Schwerkraft, indem sie die fehlende Information (die Formel für F) liefert.

Und so hat die klassische Physik angefangen und so konnte der Autor dieses Beitrages über etwas Schönes schreiben.

Gute Nacht, Kinder.

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