Delirium aus der Furche (I)
German

Delirium aus der Furche (I)

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Niesend, taumelnd und schwer atmend durchquerte Toino den Acker, ohne zu wissen, ob der Juckreiz irgendwann im Laufe des Arbeitstages verschwindet und ihn in Ruhe lässt. Wie kann man konzentriert den Stiel mit beiden Händen festhalten, den Schweiß von der Stirn wegwischen, die bauchige Weinflasche zum Mund heben, wenn eine der Hände unablässig den Rücken kratzt, die Nase putzt oder auf der Brust liegt, als ob diese uralte Geste die Luft in die Lunge einfließen ließe? Möge doch dieser hausgemachte Rebensaft die Luft lehren, wie sich die Elemente in einen fremden, aber hilfsbedürftigen Körper hineinbewegen.

Gesagt, getan. Jetzt kommt der Wein in Toinos Magen, der Alkohol löst sich flüchtig von allen Weinpartikeln und den Resten der am Frühstück rasch geschluckten Sardinen mit Mehlschwitze und kommt aus den rot geschwollenen Nasenlöchern des Dörflers heraus. Hereinspaziert, ihr Luftatome, so der Alkohol, um Toinos Koch herum leicht schwebend. Beim Gelingen des Ausrufs, hieb der Alte die Weinflasche wieder, sah, wie das blanke Sonnenlicht durch das dunkelrote Glas schimmerte, und trank weitere Schlücke, bis der allsehende Stern die ganze Flasche durchleuchtete. Alkohol heraus, Luft hereinspaziert. Aus und ein gingen auch doch Toinos Hände durch seinen Rücken. Der Juckreiz hatte nachgelassen, war aber nicht verschwunden.

Der Durstige versuchte nochmals, die Flasche auszuleeren, aber kein Wein mehr ist auf seine trockene Zunge gefallen. Da fuhr er den Flaschenhals zu seinem rechten Auge, schloss das andere und inspizierte gründlich den Flaschenboden, darauf hoffend, dass sich das letzte Tröpfchen noch dort befindet. Aber doch, der Durst konnte sich jetzt mit dem Juckreiz paaren und als zweiköpfige Herrschaft in des Alten Körper schalten und walten. Herrschaften aber kommen und gehen, insbesondere diejenigen, die über alles verfügen und einen harmlosen Bauern zernichten möchten. Eigentliche Macht wird hingegen von kleineren Dingen ausgeübt, genauso wie diese winzige Biene, die eben unmittelbar vor Toinos rechtem Auge auf dem Flaschenhals landete. Die plötzliche Anwesenheit dieser Kreatur ließ ihn das linke Auge aufmachen und die irisierenden Farben der Flügel beobachten. Vorher leuchtete die Sonne die Weinflasche hindurch, jetzt strahlt sie durch die gleichzeitig durchsichtigen und bunten Glassscheiben des großäugigen, fliegenden Wesens. Dadurch wurden noch winzigere Körnchen auf dem Pelz der Biene deutlich, die um deren Körper herum ebenfalls eine gelb glänzende Aura, einen golden gleißenden Heiligenschein bildeten. Keinen Juckreiz spürte die pollenbedeckte Biene.

Der Alkohol dachte vielleicht, seine Aufgabe wäre nicht mit dem Aufruf der Luft erledigt, und statt herunter in die Ackerfurchen zu gehen, flog er nach oben in die weniger tiefen Hirnfurchen des Analphabeten, den ein plötzlicher Einfall überraschte.

Headline image by ericjamesward on Unsplash

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