Was einen am Laufen hält
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Was einen am Laufen hält

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Der Mann war tot, keine Frage. Er war schon vor seiner Ankunft tot. Bewusstlos, atemlos, pulslos. Todsicher tot. Seine Frau hatte ihn im Badezimmer liegen gefunden. Er war gerade von der Toilette aufgestanden, als sie den dumpfen Schlag hörte. Sie fragte ihn durch die Badezimmertür, was los sei und ob er Hilfe brauche. Keine Antwort. Sie fragte nochmals. Stille. Irgendetwas stimmte nicht. Sie entschied sich, die Tür zu öffnen, doch sie war verriegelt. Vergeblich suchte sie nach dem Schlüssel, doch dieser war nicht zu finden. Mit Hilfe ihrer Tochter trat sie mit aller Kraft gegen die Tür und riss sie aus den Angeln. Da sahen sie ihn auf dem Boden liegen: bewusstlos, atemlos, pulslos. Ihre Tochter begann mit der Herzdruckmassage, während sie den Notruf anrief. Der Rettungswagen kam schnell an, und der Rettungsdienst war sehr kompetent und fachgerecht. Nach ein paar Minuten lag er schon auf der Trage im Krankenwagen, mit Venenkatheter in der linken Hand. Der Herzmonitor schien einen Rhythmus zu zeigen, aber es war kein Puls zu spüren. Sie durfte nicht mitfahren, also stieg sie rasch in ihr privates Auto ein, ließ die junge Tochter allein mit ihrem Neugeborenen zu Hause und raste möglichst schnell ins Krankenhaus.

Sie wurde in ein privates Wartezimmer geführt. Man bot ihr Essen, Trinken und Tücher an, und dann wurde sie alleine gelassen. Allein mit ihren Gedanken, mit ihrer Panik. Die Zeit schritt langsam voran. Die ersten zehn Minuten fühlten sich an, als hätten sie ein ganzes Leben gedauert. Die nächsten zehn noch länger. Nach vierzig Minuten hörte sie ein leises Klopfen an der Tür. Sie wusste schon beim ersten Anblick des Arztes, dass er keine guten Nachrichten zu überbringen hatte. Er setzte sich langsam nieder und sah ihr in die Augen. Mit Tränen in den Augen erklärte er, dass sie alles getan hätten und alle Maßnahmen ergriffen worden seien.

„Nein! Nein, er darf nicht tot sein! Ich will zu ihm! Lass mich ihn sehen! Er darf das nicht! Ich brauche ihn! Lass mich zu ihm!“

Sie wurde in sein Krankenhauszimmer eingeführt. Das Personal hatte gerade mit der Herzdruckmassage aufgehört. Schluchzend rannte sie zu ihm. Er war so blass, doch sie konnte nicht zulassen, dass er tot war. Sie nahm seine linke Hand in ihre und kniete nieder. Zwischen Schluchzen schrie sie ihn an, er dürfe nicht gehen. Sie hätten erst vor einigen Monaten ein neues Baby zu Hause. Das Baby brauche ihn. Sie brauche ihn. Es sei zu früh. Er sei zu jung, erst 42. Zu jung, um zu sterben, vor allem, wenn er eine Familie zu versorgen habe. Sie brauche ihn. Gib nicht auf. Bleib bei mir. Wir brauchen dich. Deine Töchter brauchen dich. Geh nicht. Noch nicht.

Der Monitor begann zu piepsen. Aus einer flachen Linie entwickelte sich ein Rhythmus. Das Personal rannte in das Zimmer. Sie riefen nach dem Arzt. Sie begannen wieder mit der Herzdruckmassage und verabreichten ihm Epinephrin über den IV-Katheter in der linken Hand. Zum ersten Mal seit der Ankunft des Rettungsdienstes zeigte der Bildschirm einen schockierenden Rhythmus.

„Alle weg!“ Schock. Und am Ende, schon wieder, dank seiner Frau, und zu ihrer großen Erleichterung, ein spürbarer Puls.

(Eine wahre Geschichte aus der Notaufnahme)

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