Sehr geehrte Damen und Herren,
nachdem ich im Radio Ihre Sendung zum Thema „Höflichkeit“ mit großem Interesse verfolgt habe, möchte ich Ihnen auf diesem Wege meine persönliche Erfahrung sowie meine Meinung zu einigen der Aussagen der Gäste mitteilen.
Von unserem Essverhalten, über das Schlangestehen im Supermarkt bis hin zur Art und Weise, auf die wir unsere Mitmenschen ansprechen, umfassen gute Umgangsformen viele Aspekte unseres Lebens. Das Ziel davon sollte meiner Meinung nach sein, das Leben anderer ein Stück weit angenehmer zu gestalten, beispielsweise indem man jemandem die Tür offenhält oder lächelnd „guten Morgen“ sagt. Solche kleinen, aber oft sehr willkommenen Gesten sind wichtig, denn sie fördern ein positives soziales Miteinander. Allerdings können andere Umgangsformen, bei denen das Wohl der anderen nicht zwangsläufig im Vordergrund steht, manchmal aus der Zeit gefallen wirken. Zum Beispiel schadet es zwar niemandem, dass in einer gemischten Gruppe ein Mann auf der Straßenseite des Bürgersteigs geht, aber im 21. Jahrhundert könnten wir diese alte Gewohnheit durchaus auch ablegen.
Besonders am Arbeitsplatz spielt Höflichkeit eine äußerst wichtige Rolle, und zwar nicht nur in Berufen mit viel Kundenkontakt wie etwa dem Einzelhandel, sondern auch in allen Berufen, bei denen mehrere Menschen zusammenkommen. Zum Beispiel habe ich als Lehrer selbst erfahren, dass ich besser gelaunt bin und meinen Job dementsprechend besser ausüben kann, wenn meine Schüler mich mit Höflichkeit und Respekt behandeln. So gesehen lässt sich also der Standpunkt vertreten, dass beide Parteien - sowohl der Ausführer als auch der Empfänger - von einem Akt der Höflichkeit profitieren.
Allerdings ziehe ich im Gegensatz zum Herrn Professor Schmidt daraus nicht den Schluss, dass es sich bei der Höflichkeit nur um den Schutz der eigenen Interessen handelt. Obwohl es stimmt, dass man im Tierreich bei scheinbar altruistischem Verhalten grundsätzlich immer von verstecktem Eigennutz ausgeht, sind wir Menschen durch unser Bewusstsein als einzige Spezies der Welt unserer Biologie nicht ausgeliefert. Tatsächlich sind wir in der Lage, uns aktiv für Handlungen zu entscheiden, die das Leben eines fremden Menschen verbessern, auch wenn dies uns wertvolle Zeit und Energie kostet. Nichtsdestotrotz stimme ich dem Professor insofern zu, dass man bei Menschen, von denen man Höflichkeit nicht gewöhnt ist, immer vorsichtig sein sollte, wenn sie plötzlich doch auf gute Umgangsformen achten, weil dies auf verschleierte Interessen hindeuten könnte.
Abschließend möchte ich eine Lanze dafür brechen, dass wir uns alle erneut bewusst die Frage stellen sollten, inwiefern wir unserer Familie, unseren Freunden und unseren Kollegen höflich gegenübertreten und wie das uns in Zukunft besser gelingen könnte. Ihre Sendung hat mir in dieser Hinsicht definitiv ein paar interessante Denkanstöße gegeben, und dafür möchte ich mich herzlich bedanken.
Mit freundlichen Grüßen