Sehr geehrte Damen und Herren,
nachdem ich im Fernsehen Ihre Diskussionsrunde zum Thema „Telearbeit“ mit großem Interesse verfolgt habe, möchte ich Ihnen auf diesem Wege meine persönliche Erfahrung sowie meine Meinung zu einigen der Aussagen der Diskussionsteilnehmer zukommen lassen.
Als Lehrer habe ich in den letzten Jahren Erfahrungen mit drei ganz unterschiedlichen Unterrichtsmodellen gemacht: dem klassischen Präsenzunterricht, dem pandemiebedingten Distanzunterricht und dem Privatunterricht per Videokonferenz. Obwohl der Kontext des Lernens natürlich auch für den Lernenden einen sehr großen Unterschied ausmacht, möchte ich mich in diesem Schreiben ausschließlich den Auswirkungen des Home-Offices auf mich als Lehrer widmen.
Dabei fallen mir zunächst meine Kollegen ein, von denen ich als junger Lehrer enorm viel lernen kann. Am Gymnasium versuche ich, möglichst regelmäßig in anderen Klassen zu hospitieren und mich mit erfahrenen Mitarbeitern auszutauschen, um auf neue Ideen für meinen Unterricht zu kommen. Diese konkrete Möglichkeit fällt aber leider durch die Telearbeit weg oder wird zumindest durch den fehlenden Kontakt deutlich erschwert. Auf der anderen Seite muss man aber hinzufügen, dass in Zeiten der Digitalisierung neue Formen des Austausches möglich sind. Während der Pandemie bin ich beispielsweise auf Lehrer aufmerksam geworden, die Podcasts und Blogs betreiben, um Ratschläge und Ideen mit interessierten Kollegen teilen.
Aus genau diesem Grund stimme ich der Aussage, dass bei der Telearbeit zu Leistung motivierende Vorbilder fehlen würden, auch nicht ganz zu. Wer im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts von zu Hause aus arbeitet (und selbst schon motiviert ist), greift auf der Suche nach Inspiration automatisch zu den sozialen Medien und stößt dabei oft auf eine ganze Reihe von virtuellen Kollegen, die scheinbar alle eine übermenschliche Leistung vollbringen. Hierbei muss man sich aber stets dessen bewusst bleiben, dass das Bild, das einem vorgegaukelt wird, häufig nicht der Realität entspricht. Statt sich mit solchen Beispielen zu vergleichen, sollte man also lieber einfach schauen, welche einen bis zwei Punkte man mitnehmen kann, um die eigene Arbeit ein bisschen besser zu machen.
Für mich stellte die Zeit im Home-Office auch eine Möglichkeit dar, meinen eigenen Arbeitsalltag zu hinterfragen und zu optimieren. Plötzlich hatte ich keine Transportwege mehr, und ohne endlose Kaffeepausen konnte ich meine Zeit viel besser einteilen. Da ich persönlich vormittags wesentlich effizienter arbeite, habe ich direkt nach dem Frühstück einen 90-minütigen Block für die schwersten Aufgaben des Tages - beziehungsweise die, die meiste Kreativität erfordern - eingelegt. Und da ich diese ungestört viel schneller erledigen konnte, konnte ich mich abends auch besser entspannen, um mit neuer Energie in den nächsten Tag zu starten: Daraus entsteht ein selbstverstärkender Kreislauf.
Abschließend lässt sich also sagen, dass die Telearbeit genau das ist, was man daraus macht. Ist man motiviert und schafft man es, den fehlenden Kontakt zu Kollegen auszugleichen, so kann man die Veränderung und die Ruhe und Bequemlichkeit des Home-Offices vollständig zu den eigenen Gunsten nutzen.
Mit freundlichen Grüßen